Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
tust, was man dir sagt.« Jace musterte sie kurz. »Sind das Isabelles Sachen? Du siehst einfach lächerlich darin aus.«
»Darf ich dich darauf aufmerksam machen, dass du meine Sachen verbrannt hast?«
»Eine reine Vorsichtsmaßnahme.« Lautlos schloss er den schwarz glänzenden Deckel des Flügels. »Komm, ich bring dich zu Hodge.«
Das Institut war riesig – eine endlose Folge höhlenähnlicher Räume, die eher so aussahen, als seien sie im Laufe der Zeit von Wasserströmen aus Fels herausgewaschen statt plangemäß gebaut worden. Durch halb geöffnete Türen konnte Clary in unzählige identische kleine Zellen schauen, die alle mit einem schlichten Bett, einem Nachttischchen und einem großen, offen stehenden Kleiderschrank ausgestattet waren. Die hohen Decken wurden von hellen Steingewölben getragen, von denen viele mit kunstvollen kleinen Skulpturen verziert waren. Clary stellte fest, dass bestimmte Motive sich wiederholten – Engel, Schwerter, Sonnen und Rosen.
»Warum habt ihr so viele Schlafräume?«, fragte Clary. »Ich dachte, das hier wäre ein Forschungsinstitut.«
»Das ist der Wohntrakt. Wir haben uns verpflichtet, allen Schattenjägern, die es wünschen, eine sichere Zufluchtsstätte zu bieten. Wir können bis zu zweihundert Personen unterbringen.«
»Aber die meisten Zimmer stehen leer.«
»Niemand bleibt lange. Die Leute kommen und gehen und normalerweise sind nur wir hier: Alec, Isabelle, Max, ihre Eltern – und Hodge und ich.«
»Max?«
»Die schöne Isabelle kennst du ja bereits. Alec ist ihr älterer Bruder und Max der jüngere. Allerdings befindet er sich mit seinen Eltern im Ausland.«
»Im Urlaub?«
»Nicht ganz«, erwiderte Jace zögernd, »die Lightwoods sind eine Art Auslandsvertreter, Diplomaten, und dieses Haus hier könnte man mit einer Botschaft vergleichen. Zurzeit sind sie im Heimatland der Schattenjäger, um sehr schwierige Friedensverhandlungen vorzubereiten. Max haben sie mitgenommen, weil er noch so klein ist.«
»Heimatland der Schattenjäger?« Clary fühlte einen leichten Schwindel. »Wie heißt es denn?«
»Idris.«
»Hab ich noch nie gehört.«
»Natürlich nicht.« Da war wieder diese nervige Überheblichkeit in seiner Stimme. »Irdische wissen nichts von Idris. Sämtliche Grenzen sind von einem Wall aus Schutzzaubern umgeben. Wenn du versuchen würdest, die Grenze nach Idris zu passieren, würdest du sofort von einer Landesgrenze zur nächsten teleportiert – ohne es überhaupt zu bemerken.«
»Also findet man es auf keiner Landkarte?«
»Jedenfalls nicht auf Mundie -Karten. Aber du kannst es dir als ein kleines Land zwischen Deutschland und Frankreich vorstellen.«
»Aber zwischen Deutschland und Frankreich befindet sich wenn überhaupt die Schweiz.«
»Genau«, meinte Jace.
»Ich nehme an, du warst schon mal da, in Idris?«
»Ja, ich bin dort aufgewachsen.« Jace’ Stimme klang zwar neutral, aber irgendetwas an ihrem Ton signalisierte ihr, dass weitere Fragen in diese Richtung unerwünscht waren. »Wie fast alle Schattenjäger. Natürlich gibt es uns auf der ganzen Welt, denn wir müssen schließlich überall sein, da auch die Dämonen überall ihr Unwesen treiben. Aber für einen Schattenjäger bleibt Idris immer die ›Heimat‹.«
»Wie Mekka oder Jerusalem«, meinte Clary nachdenklich. »Die meisten von euch sind also in Idris aufgewachsen. Und was passiert, wenn ihr erwachsen seid?«
»Dann werden wir dahin geschickt, wo man uns braucht«, ergänzte Jace knapp. »Es gibt auch ein paar, wie Isabelle und Alec, die weit von der Heimat entfernt aufwachsen, weil ihre Eltern außerhalb des Landes wohnen. Aber mit all den Mitteln, die dieses Institut bietet, und mit Hodges Unterricht …« Er unterbrach sich. »So, da wären wir: Das hier ist die Bibliothek.«
Sie standen vor einer spitzbogigen Doppelflügeltür. Ein blauer Perserkater mit gelben Augen lag zusammengerollt davor. Er hob den Kopf und maunzte. »Hi, Church«, begrüßte Jace den Kater und streichelte ihn mit dem nackten Fuß. Genüsslich kniff Church die Augen zu Schlitzen zusammen.
»Warte mal einen Moment«, sagte Clary. »Alec, Isabelle und Max sind also die einzigen dir bekannten Schattenjäger deines Alters – die einzigen, zu denen du Kontakt hast?« Jace hörte auf, den Kater zu streicheln. »Ja.«
»Fühlt man sich da nicht manchmal ein wenig einsam?«
»Ich habe alles, was ich brauche.« Er stieß die Türflügel auf. Nach kurzem Zögern folgte Clary ihm.
Die
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