Chroniken der Unterwelt Bd. 1 City of Bones
Nachthimmel.
»Komm schon«, sagte eine drängende Stimme an ihrem Ohr. Es war Jace, der auf sie gewartet hatte und jetzt neben ihr ging. »Ich will mich nicht ständig umschauen müssen, nur um sicherzugehen, dass dir nichts passiert ist.«
»Dann kümmre dich doch einfach nicht um mich.«
»Das letzte Mal, als ich dich allein gelassen habe, hat dich ein Dämon angegriffen«, erinnerte er sie.
»Oh, es täte mir wirklich furchtbar leid, wenn dein beschaulicher Abendspaziergang durch meinen plötzlichen Tod ruiniert würde.«
Er blinzelte. »Es gibt eine feine Grenze zwischen Sarkasmus und unverhohlener Feindschaft und du hast sie anscheinend gerade überschritten. Was ist los?«
Sie biss sich auf die Lippe. »Heute Morgen haben seltsame, unheimliche Typen in meinem Kopf herumgewühlt. Und gleich werde ich den seltsamen, unheimlichen Typen treffen, der als Erster in meinem Kopf herumgewühlt hat. Was ist, wenn mir nicht gefällt, was er dort findet?«
»Wie kommst du darauf, dass es dir nicht gefallen könnte?«
Clary schob sich die Haare aus ihrem verschwitzten Nacken. »Ich hasse es, wenn du eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortest.«
»Nein, tust du nicht. Du findest es charmant. Aber willst du denn nicht die Wahrheit erfahren?«
»Nein. Ich meine, vielleicht. Ich weiß es nicht.« Sie seufzte. »Würdest du es wollen?«
»Das ist die richtige Straße«, rief Isabelle, die etwa zwanzig Meter vor ihnen ging. Sie befanden sich in einer schmalen Gasse mit alten Lagerhäusern, von denen die meisten allerdings den Eindruck machten, als ob dort Leute wohnten: Blumenkästen vor den Fenstern, Spitzengardinen, die in der schwülen Nachtluft flatterten, nummerierte Plastikmülleimer auf dem Bürgersteig. Clary schaute angestrengt und konzentriert auf die Szenerie, aber es ließ sich unmöglich sagen, ob das die Straße war, die sie in der Stadt der Gebeine gesehen hatte – in ihrer Vision war sie fast vollkommen unter Schnee begraben gewesen.
Sie spürte, wie Jace mit dem Finger sanft über ihre Schulter strich. »Absolut. Immer«, murmelte er.
Sie schaute ihn aus dem Augenwinkel an, denn sie wusste nicht, was er meinte. »Was?«
»Die Wahrheit«, sagte er. »Ich würde …«
»Jace!« Es war Alec, der nicht weit entfernt auf dem Bürgersteig stand. Clary fragte sich, warum seine Stimme so laut geklungen hatte.
Jace drehte sich um und ließ die Hand von ihrer Schulter gleiten.
»Ja?«
»Glaubst du, wir sind hier richtig?« Alec zeigte auf etwas, das Clary nicht sehen konnte; es war hinter einem großen schwarzen Wagen versteckt.
»Was haben wir denn hier?«Jace schloss zu Alec auf und Clary hörte ihn lachen. Als sie das Auto erreichte, sah sie es auch: mehrere silbern glänzende Motorräder mit tief liegendem schwarzem Chassis. Ölverschmierte Rohre und Leitungen wanden sich um die Fahrgestelle; sie sahen aus wie Adern. Die Maschinen hatten etwas unangenehm Organisches an sich, wie Kreaturen in einem Gemälde von Giger.
»Vampire«, sagte Jace.
»Für mich sehen sie eher aus wie Motorräder«, meinte Simon und gesellte sich zusammen mit Isabelle, die die Maschinen finster musterte, zu ihnen.
»Es sind auch Motorräder, aber sie wurden umgebaut, damit sie mit Dämonenenergie angetrieben werden können«, erklärte Isabelle. »Vampire fahren solche Maschinen, damit sie sich nachts schnell fortbewegen können. Es entspricht nicht unbedingt den Vereinbarungen des Bündnisses, aber …«
»Ich habe gehört, dass einige der Maschinen fliegen können«, sagte Alec eifrig. Er klang wie Simon, wenn er ein neues Videospiel ausprobierte. »Oder dass sie unsichtbar werden, wenn man einen Hebel betätigt. Oder unter Wasser fahren können.«
Jace war vom Bordstein gesprungen und ging um die Maschinen herum. Er betrachtete sie eingehend und berührte dann eines der glatten Fahrgestelle. Auf der Seite befand sich eine silberne Aufschrift: Nox invictus. »Siegreiche Nacht«, übersetzte er.
Alec schaute ihn befremdet an. »Was machst du da?«
Clary glaubte zu sehen, wie Jace die Hand wieder in die Jackentasche steckte. »Nichts.«
»Komm endlich weiter«, sagte Isabelle. »Ich hab mich nicht so aufgebrezelt, um dir dabei zuzusehen, wie du dich an ein paar Motorrädern in der Gosse zu schaffen machst.«
»Sie sind ein schöner Anblick«, meinte Jace und sprang wieder auf den Bürgersteig zurück. »Das musst du zugeben.«
»Ein schöner Anblick bin ich auch«, entgegnete Isabelle, die nicht so aussah, als
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