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Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes

Titel: Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Clare
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er hatte sie an Stellen gekniffen, wo man die Druckmale nicht sehen konnte, oder das Shampoo in ihrer Flasche durch Bleichmittel ersetzt. Maia hatte ihren Eltern davon erzählt, aber diese hatten ihr nicht geglaubt. Niemand glaubte ihr, sobald Daniel in Sicht kam: Die Menschen hatten Schönheit mit Unschuld und Arglosigkeit verwechselt. Als Daniel ihr in der neunten Klasse den Arm brach, war Maia von zu Hause fortgelaufen, aber ihre Eltern hatten sie wieder zurückgeholt. In der zehnten Klasse war Daniel von einem unfallflüchtigen Fahrer auf der Straße überfahren worden und noch am Unfallort gestorben. Während Maia neben ihren Eltern am Grab stand, hatte sie sich für das überwältigende Gefühl der Erleichterung geschämt, das sie in diesem Moment verspürte. Gott würde sie bestimmt dafür bestrafen, dass sie über den Tod ihres Bruders froh war, hatte sie damals gedacht.
    Und im darauffolgenden Jahr hatte er sie tatsächlich bestraft: Maia lernte Jordan kennen. Lange dunkle Haare, schmale Hüften in abgetragenen Jeans, Indieboy-Rockershirt und Wimpern wie ein Mädchen. Sie hätte nie gedacht, dass er sich für sie interessieren würde – Typen wie er bevorzugten normalerweise dürre bleiche Mädchen mit schwarzrandigen, eckigen Brillen –, aber ihm schienen ihre runden Formen zu gefallen. Zwischen seinen Küssen sagte er ihr immer wieder, wie schön sie sei. Die ersten Monate waren wie ein Traum … und die letzten wie ein Albtraum. Er wurde besitzergreifend, beherrschend. Wenn er sauer auf sie war, knurrte er und schlug ihr mit dem Handrücken ins Gesicht, sodass ein roter Abdruck zurückblieb wie von zu viel Rouge. Als sie sich von ihm trennen wollte, versetzte er ihr einen solch heftigen Stoß, dass sie in ihrem eigenen Vorgarten zu Boden stürzte, ehe sie ins Haus flüchten und die Tür zuschlagen konnte.
    Einige Zeit später sorgte sie dafür, dass er sie bei einem Kuss mit einem anderen Jungen sah – nur um ihm klarzumachen, dass es zwischen ihnen endgültig aus war. An den Namen des anderen Jungen konnte sie sich noch nicht einmal mehr erinnern. Aber woran sie sich sehr wohl erinnerte, war jener Abend, an dem sie im Nieselregen und mit schlammbespritzter Jeans eine Abkürzung durch den Park in der Nähe ihres Elternhauses genommen hatte. Und sie erinnerte sich auch an die dunkle Gestalt, die plötzlich hinter dem Kinderkarussell hervorgeschnellt war, an den riesigen, nassen Wolf, der sie in den Schlamm gestoßen hatte, an den heißen Schmerz, als seine Kiefer sich um ihre Kehle schlossen. Sie hatte geschrien und gestrampelt, ihr eigenes Blut im Mund geschmeckt und ihr Verstand hatte protestiert: Das ist unmöglich. Vollkommen unmöglich! In New Jersey gab es keine Wölfe, nicht in ihrem ganz normalen Vorstadtviertel, nicht im 21. Jahrhundert.
    Ihre Schreie hatten dafür gesorgt, dass in den benachbarten Häusern die Lampen angingen – ein Fenster nach dem anderen leuchtete hell auf, wie angezündete Streichhölzer. Daraufhin hatte der Wolf von ihr abgelassen; von seinen Zähnen triefte das Blut und Fetzen ihrer Haut hingen ihm aus dem Maul.
    Vierundzwanzig Stiche später lag sie wieder in ihrem rosa Mädchenzimmer, ihre Mutter wachte ängstlich über sie. Der Arzt auf der Unfallstation hatte gesagt, der Biss sähe aus wie der eines großen Hundes, doch Maia wusste es besser. Denn bevor der Wolf davongestürzt war, hatte sie eine heiße, vertraute Stimme an ihrem Ohr gehört, die flüsterte: »Jetzt gehörst du nur noch mir. Und so wird es immer sein.«
    Jordan bekam sie nicht mehr zu Gesicht: Er und seine Familie packten die Koffer und zogen fort. Und keiner seiner Freunde wusste – oder wollte ihr sagen –, wohin sie gegangen waren. Maia war nicht sonderlich überrascht, als beim nächsten Vollmond die Schmerzen einsetzten: reißende Schmerzen, die ihre Beine hinaufrasten, sie zu Boden zwangen und ihr Rückgrat auf eine Weise krümmten wie ein Zauberer einen Löffel verbiegt. Als ihre Zähne durch das Zahnfleisch brachen und wie Kaugummidragees auf den Boden prasselten, fiel sie in Ohnmacht. Das dachte sie zumindest. Denn Stunden später erwachte sie meilenweit entfernt von ihrem Elternhaus, vollkommen nackt und blutbespritzt, und eine Narbe an ihrem Arm pulsierte wie ein Herzschlag. In jener Nacht hatte sie den Zug nach Manhattan genommen. Die Entscheidung war ihr nicht schwergefallen. In ihrer konservativen Nachbarschaft war es schon schlimm genug gewesen, einer gemischten Ehe zu entstammen.

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