Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
Gestalt in der Ecke hinunterbeugte. Es war ein dunkelhaariger Junge mit Jeans und einem blutgetränkten blauen T-Shirt.
Jace berührte die leblose Gestalt an der Schulter und zog sie zu sich heran. Wie eine schlaffe Marionette ließ sie sich umdrehen; die braunen, leeren Augen blickten starr nach oben. Jace stockte der Atem. Es war Simon. Er war weiß wie eine Wand. Am unteren Ende seiner Kehle klaffte eine hässliche Wunde und beide Handgelenke waren aufgeschlitzt.
Jace sank auf die Knie. Verzweiflung packte ihn beim Gedanken an Clary, an ihren Schmerz, wenn sie es erfahren würde. Er erinnerte sich, wie sie seine Hand gehalten und gedrückt hatte … mit so viel Kraft in ihren kleinen Fingern. Finde Simon. Ich weiß, dass du ihn finden wirst.
Und er hatte ihn gefunden. Aber es war zu spät.
Als Jace zehn Jahre alt gewesen war, hatte ihn sein Vater sämtliche Methoden zum Töten von Vampiren gelehrt: Man musste sie pfählen. Oder ihnen den Kopf abschneiden und wie eine gespenstische Kürbislaterne anzünden. Sie von der Sonne zu Asche versengen lassen. Oder sie ausbluten lassen. Sie brauchten Blut zum Leben, ohne Blut erstarben sie wie ein Motor ohne Benzin. Jace genügte ein Blick auf Simons Kehle, um sofort zu erkennen, welche Methode Valentin gewählt hatte.
Er streckte die Hand aus, um Simons starre Augen zu schließen. Wenn Clary schon mit seinem Tod fertig werden musste, war es besser, wenn sie ihn nicht auf diese Weise sah. Er fuhr mit der Hand hinunter an den Kragen von Simons TShirt, um ihn hochzuziehen und so die Schnittwunde zu bedecken.
Plötzlich bewegte Simon sich. Seine Lider flatterten und öffneten sich und er verdrehte die Augen, bis nur noch das Weiße zu sehen war. Dann gab er ein kaum hörbares, gurgelndes Geräusch von sich, die Lippen zogen sich zurück und legten die Spitzen seiner Vampirzähne frei. In seiner aufgeschlitzten Kehle verursachte der Atem ein rasselndes Geräusch.
Jace wurde übel und er verstärkte den Griff um Simons Kragen. Er war noch nicht tot. Aber der Schmerz musste unerträglich sein. Und er konnte nicht heilen, konnte nicht regenerieren, nicht ohne …
Nicht ohne Blut. Jace ließ Simons T-Shirt los und zog mit den Zähnen seinen rechten Ärmel nach oben. Mit der scharfen Spitze der abgebrochenen Strebe schlitzte er sich die Pulsader am Handgelenk auf. Blut schoss aus der Wunde. Er ließ die Strebe fallen, die mit einem klirrenden Geräusch auf dem Metallboden auftraf. Er nahm den Geruch seines eigenen Bluts in der Luft wahr, beißend und kupferartig.
Jace warf einen Blick auf Simon, der sich nicht bewegt hatte. Das Blut strömte ihm nun die Hand hinab und sein Handgelenk brannte. Er hielt es Simon über das Gesicht, ließ das Blut an seinen Fingern hinunterlaufen und Simon in den Mund tropfen. Doch Simon reagierte nicht. Er lag vollkommen reglos da. Jace rutschte näher und kniete nun unmittelbar neben Simon; sein Atem zeichnete weiße Wolken in die eisige Luft. Er beugte sich weiter hinunter und presste Simon sein blutendes Handgelenk direkt auf den Mund. »Trink mein Blut, du Idiot«, flüsterte er. »Trink schon.«
Einen Moment lang geschah nichts. Dann flatterten Simons Lider. Jace spürte einen heftigen Stich in seinem Handgelenk, eine Art Ziehen, ein fester Druck, dann schoss Simons rechte Hand hoch und packte Jace am Oberarm. Simons Rücken krümmte sich und der Druck auf Jace’ Handgelenk verstärkte sich, als Simons Fangzähne sich tiefer hineinbohrten. Ein heißer Schmerz durchzuckte Jace’ Arm. »Okay«, sagte Jace. »Okay, das reicht jetzt.«
Simon schlug die Augen auf. Das Weiße darin war verschwunden, die dunkelbraunen Pupillen richteten sich auf Jace. Seine Wangen nahmen Farbe an, eine hektische, fiebrige Röte. Seine Lippen hatten sich ein wenig geöffnet und von den weißen Eckzähnen tropfte Blut.
»Simon?«, fragte Jace.
Simon bäumte sich auf. Er bewegte sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, warf Jace auf die Seite und wälzte sich auf ihn. Jace schlug auf dem Metallboden auf und sein Kopf dröhnte, während Simons Zähne sich in seinen Hals gruben. Er versuchte, sich ihm zu entwinden, doch Simons Arme waren wie Eisenstäbe und drückten ihn zu Boden, wobei seine Finger sich in Jace’ Schulter gruben.
Aber Simon tat ihm nicht weh: Der anfangs so heftige Schmerz verblasste zu einem dumpfen Brennen, das fast angenehm war – so wie auch das Brennen der Stele manchmal angenehm war. Ein schläfriger Gleichmut schlich sich in
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