Chroniken der Unterwelt Bd. 2 City of Ashes
sehen, dass sie zu Fäusten geballt waren.
Plötzlich brach etwas tief in Clarys Innerem und die Worte sprudelten nur so aus ihr hervor. » Was willst du von mir hören? Die Wahrheit? Die Wahrheit ist, dass ich Simon so liebe, wie ich dich lieben sollte … und ich wünschte, er wäre mein Bruder und nicht du. Aber ich kann nichts daran ändern und das kannst du auch nicht! Oder hast du vielleicht eine Idee … wo du doch sonst immer so verdammt schlau bist?«
Jace hielt einen Moment sprachlos die Luft an und sie erkannte, dass er nicht damit gerechnet hatte, von ihr jemals diese Worte zu hören – nicht in einer Million Jahren. Der Ausdruck auf seinem Gesicht sprach Bände.
Verzweifelt versuchte sie, ihre Fassung wiederzuerlangen. »Jace, es tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint …«
»Nein, nicht. Das muss dir nicht leidtun.« Er ging auf sie zu, fiel fast über seine Füße – Jace, der nie strauchelte, niemals stolperte, keine einzige unelegante Bewegung kannte. Er hob die Hände, um ihr Gesicht zu umfassen. Sie spürte die Wärme seiner Fingerkuppen, nur Millimeter von ihrer Haut entfernt, und wusste, dass sie eigentlich zurückweichen sollte, doch sie blieb wie angewurzelt stehen und schaute zu ihm auf. »Du verstehst das nicht«, sagte er und seine Stimme bebte. »Noch nie zuvor habe ich so für jemanden empfunden. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das überhaupt könnte. So wie ich aufgewachsen bin … bei meinem Vater … da hab ich immer gedacht …«
»… dass lieben zerstören heißt«, sagte Clary benommen. »Ja, ich erinnere mich.«
»Ich dachte, dieser Teil meines Herzens wäre gebrochen«, sagte er. Auf seinem Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck, als wäre er selbst überrascht, solche Worte aus seinem eigenen Mund zu hören – mein Herz. »Und zwar für immer. Aber du …«
»Jace. Bitte nicht.« Sie hob die Arme und legte ihre Hände auf seine, verschränkte seine Finger mit den ihren. »Es hat keinen Zweck.«
»Das ist nicht wahr.« Verzweiflung klang aus seiner Stimme. »Wenn wir beide das Gleiche fühlen …«
»Es spielt keine Rolle, was wir fühlen. Wir können nichts an der Situation ändern.« Sie hörte ihre Stimme, als würde sie eine Fremde reden hören – unnahbar, trostlos. »Wo sollen wir denn hingehen, um zusammen zu sein? Wie könnten wir damit leben?«
»Wir könnten es geheim halten.«
»Aber irgendwann würden die Leute es herausfinden. Und ich will meine Familie nicht belügen. Möchtest du das?«
Jace schnaubte bitter. »Welche Familie? Die Lightwoods hassen mich sowieso.«
»Nein, sie hassen dich nicht. Und ich könnte Luke niemals davon erzählen. Oder meiner Mutter. Wenn sie wieder aufwacht, was würden wir ihr sagen? Das, was wir uns wünschen, würde alle, die uns nahestehen, krank machen …«
»Krank machen?« Jace nahm die Hände von ihrem Gesicht, als hätte sie ihn fortgestoßen. Er klang fassungslos. »Das, was wir fühlen … was ich fühle … das macht dich krank?«
Als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht sah, hielt sie bestürzt den Atem an. »Möglicherweise«, wisperte sie fast tonlos, »ich weiß es nicht.«
»Dann hättest du das von vornherein sagen sollen.«
»Jace …«
Doch er hatte sich bereits von ihr entfernt; seine Miene war so verschlossen wie eine Tür. Clary konnte kaum glauben, dass er sie jemals anders angesehen hatte. »Dann tut es mir leid, dass ich überhaupt etwas gesagt habe.« Seine Stimme klang steif, formell. »Und ich werde dich nicht noch einmal küssen. Darauf kannst du dich verlassen.«
Clarys Herz machte einen langsamen, sinnlosen Satz, als er einen Schritt zurückging, sich ein Handtuch von der Kommode schnappte und zur Badezimmertür marschierte. »Aber … Jace, was hast du jetzt vor?«
»Ich geh duschen. Und wenn ich wegen dir kein heißes Wasser mehr habe, werde ich ziemlich sauer sein.« Er marschierte ins Bad und schloss die Tür mit dem Fuß hinter sich.
Mutlos sank Clary auf das Bett. Sie fühlte sich wie eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hatte, und starrte an die Decke, die genauso leer und ausdruckslos war wie der Blick in Jace’ Augen, ehe er ihr den Rücken zugewandt hatte. Als Clary sich auf die Seite drehte, sah sie, dass sie auf seinem blauen T-Shirt lag. Es roch sogar genau wie er: nach Seife und Rauch, Kupfer und Blut. Sie drückte es an sich, so wie sie sich als kleines Kind in ihre Lieblingsdecke gekuschelt hatte, und schloss die Augen.
In ihrem Traum schaute
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