Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
sandte ein hartes silbernes Licht aus, in dessen schwachem Schein Isabelle Alines schlaffen Körper am Rand des Kanals erkannte. Ein wuchtiger Schuppendämon hockte auf ihr und drückte sie mit dem Gewicht seines massigen echsenartigen Rumpfes auf den Boden. Sein Gesicht war tief in Alines Hals vergraben …
Aber das konnte doch unmöglich ein Dämon sein!, schoss es Isabelle durch den Kopf. In Alicante hatte es noch nie Dämonen gegeben. Zu keinem Zeitpunkt. Während Isabelle schockiert auf die Szenerie vor ihr starrte, hob das Wesen den Kopf und prüfte schnüffelnd die Luft, als könne es ihre Anwesenheit wahrnehmen. Isabelle sah, dass die Kreatur blind war: Eine breite Reihe gezackter Zähne erstreckte sich wie ein Reißverschluss über die Stirn, dort, wo eigentlich die Augen hätten sitzen müssen. In der unteren Gesichtshälfte befand sich ein weiteres Maul mit spitzen Hauern, von denen eine dunkle Flüssigkeit tropfte. Im Schein der Elektrumpeitsche glitzerten die Flanken des langen, vor und zurück wippenden Echsenschwanzes, dessen Spitze mit rasierklingenscharfen Knochen besetzt war.
Plötzlich zuckte Aline zusammen und stieß ein pfeifendes Wimmern aus. Aufatmend nahm Isabelle zur Kenntnis, dass das Mädchen entgegen ihrer Befürchtung nicht tot war, doch die Erleichterung dauerte nur kurz an: Als Aline sich bewegte, sah Isabelle, dass ihre Bluse vorne aufgerissen war. Tiefe Kratzer erstreckten sich über ihre Brust und die Kreatur hatte eine weitere Klaue in den Bund ihrer Jeans geschoben.
Eine Woge der Übelkeit erfasste Isabelle. Der Dämon versuchte gar nicht, Aline zu töten - noch nicht. Wie das flammende Schwert eines Racheengels erwachte die Peitsche in ihrer Hand zum Leben. Ohne zu zögern, stürmte Isabelle vorwärts und zog dem Dämon die gleißende Peitsche über den Rücken.
Der Dämon kreischte auf und wälzte sich von Aline. Mit weit aufgerissenen Mäulern drehte er sich ruckartig zu Isabelle um und schlug mit den Klauen in Richtung ihres Gesichts. Doch Isabelle wich geschickt zurück und ließ gleichzeitig ihre Peitsche erneut nach vorne schnellen: Der scharfe Elektrumdraht schlitzte dem Dämon Gesicht, Brust und Beine auf. Sofort quollen Blut und eitrige Flüssigkeit aus unzähligen Wunden in der schuppigen Dämonenhaut und dann schoss eine lange gespaltene Zunge aus dem oberen Maul hervor und zielte auf Isabelles Gesicht. Am Ende der Zunge saß eine Art Stachel, wie von einem Skorpion. Doch eine rasche, kurze Bewegung ihrer Peitschenhand genügte und der dünne, geschmeidige Elektrumdraht wickelte sich um die Dämonenzunge. Die Kreatur schrie und schrie, während Isabelle die Peitsche immer fester zuzog und ihr dann einen letzten Ruck gab: Mit einem feuchten, ekelerregenden Geräusch klatschte die Zunge des Dämons auf den Ziegelsteinen des unteren Brückenwegs auf.
Isabelle riss die Peitsche zurück. Der Dämon wirbelte herum und versuchte zu fliehen - mit schnellen, schlängelnden Bewegungen wie eine Natter. Sofort setzte Isabelle ihm nach. Doch der Dämon hatte gerade die Hälfte der Strecke zum Kanalweg zurückgelegt, als plötzlich eine dunkle Gestalt vor ihm auftauchte. Etwas Metallisches blitzte in der Dunkelheit auf, dann wand sich der Dämon kreischend auf dem Boden.
Abrupt hielt Isabelle inne. Aline stand breitbeinig über dem Dämon, einen schlanken Dolch in der Hand - er musste an ihrem Gürtel gesteckt haben. Die Runen auf der Klinge leuchteten wie Zackenblitze, während sie dem Dämon den Dolch wieder und wieder in den zuckenden Rumpf rammte, bis er sich nicht mehr regte und dann in Luft auflöste.
Langsam schaute Aline auf und starrte Isabelle mit ausdruckslosem Blick an. Die Knöpfe ihrer Bluse waren abgerissen, sodass der dünne Stoff weit auseinanderklaffte, doch sie machte keine Anstalten, ihre Brust zu bedecken, aus deren tiefen Kratzwunden helles Blut quoll.
Isabelle stieß einen leisen Pfiff aus. »Aline … alles in Ordnung mit dir?«
Im nächsten Moment ließ Aline den Dolch klirrend zu Boden fallen, dann wirbelte sie ohne ein weiteres Wort herum und rannte los, verschwand in der Dunkelheit unter der Brücke.
Überrumpelt stieß Isabelle einen unterdrückten Fluch aus und setzte Aline nach, wobei sie inständig wünschte, sie hätte an diesem Abend etwas Praktischeres als ausgerechnet ein Samtkleid angezogen. Wenigstens trug sie ihre Stiefel - mit hochhackigen Schuhen hätte sie Aline ganz bestimmt nicht einholen können.
Auf der anderen Seite des
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