Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
wie aus großer Ferne und zwischen den Gebäuden entdeckte sie den Leuchtschein einzelner Fackeln, doch sonst herrschte Grabesstille …
»Es ist so furchtbar still hier«, bestätigte Alec in diesem Moment Clarys Überlegungen und schaute sich überrascht um. »Und …»
»Und es riecht überhaupt nicht mehr nach Dämonen.« Jace runzelte die Stirn. »Seltsam. Los, kommt weiter. Wir müssen zur Abkommenshalle.«
Obwohl Clary auf dem Weg dorthin ständig mit einem Angriff rechnete, begegnete ihnen kein einziger Dämon. Zumindest kein lebender. Allerdings sah sie, als sie an einer schmalen Gasse vorbeikamen, wie eine Gruppe von drei oder vier Schattenjägern eine Kreatur umzingelt hatte, die sich krampfhaft zuckend auf dem Boden wand, während die Männer abwechselnd mit langen, spitzen Stäben auf sie einstachen. Schaudernd wandte Clary sich ab.
Die Halle des Abkommens war hell erleuchtet - Elbenlicht strömte aus ihren Türen und Fenstern. Hastig stürmten die Freunde die Stufen zum Eingang hinauf, wobei Clary strauchelte und sich gerade noch fangen konnte. Das Schwindelgefühl wurde wieder schlimmer und die Welt schien sich um sie herum zu drehen, als befände sie sich im Inneren einer kreiselnden Kugel. Über ihr zogen die Sterne weiße, verschwommene Streifen am Firmament.
»Du solltest dich hinlegen«, sagte Simon, und als sie nicht reagierte, fragte er: »Clary?«
Unter größter Mühe zwang sie sich zu einem Lächeln. »Mir geht’s gut.«
Jace stand bereits in der Eingangstür der Halle und schaute sich schweigend nach ihr um. Im harschen Licht der Elbenlichtfackeln wirkte sein blutverschmiertes Gesicht mit dem geschwollenen Auge übel zugerichtet.
Aus dem Inneren der Halle drang ein dumpfes Dröhnen, das tiefe Murmeln Hunderter von Stimmen. In Clarys Ohren klang es wie das Pulsieren eines gewaltigen Herzens. Das Licht der Wandfackeln und der zahllosen Elbensteine brannte ihr in den Augen und ließ sie nur noch vage Schatten erkennen, verschwommene Formen und Farben - Weiß, Gold und die Schattierung des Nachthimmels, dessen dunkles Blau sich zu einem helleren Ton lichtete. Wie spät war es eigentlich?, fragte Clary sich.
»Ich kann sie nirgends sehen«, sagte Alec im nächsten Moment und schaute sich suchend nach seiner Familie um. Er klang, als wäre er Hunderte Meilen entfernt oder tief unter Wasser. »Sie müssten doch längst hier sein …«
Seine Stimme verhallte, während Clarys Schwindelgefühl zunahm. Sie stützte sich an einer Säule ab, um nicht umzufallen. Eine Hand strich ihr über den Rücken - Simon. Er sprach mit Jace und klang irgendwie besorgt. Dann vermischte sich seine Stimme mit dem Murmeln Dutzender anderer, die wie schäumende, sich brechende Wogen an ihr Ohr drangen.
»So was hab ich noch nicht erlebt. Die Dämonen haben sich einfach umgedreht und sind verschwunden, einfach so.«
»Liegt vermutlich an der Morgendämmerung. Sie fürchten sich davor und es dauert nicht mehr lange, bis die Sonne aufgeht.«
»Nein, da war noch irgendetwas anderes im Spiel.«
»Ich möchte mir gar nicht ausmalen, dass sie bei Anbruch der Dunkelheit wieder zurückkehren könnten.«
»Sag doch nicht so was; dafür besteht überhaupt kein Grund. Die Schutzschilde werden mit Sicherheit wieder aktiviert.«
»Und Valentin wird sie wieder zusammenbrechen lassen.«
»Vielleicht haben wir es nicht anders verdient. Vielleicht hatte Valentin ja recht - und wir haben durch die Allianz mit den Schattenweltlern den Segen des Erzengels tatsächlich verwirkt.«
»Seid doch mal still. Und zeigt etwas Respekt. Sie zählen die Toten.«
»Da sind sie ja!«, stieß Alec erleichtert hervor. »Da drüben, beim Podium. Es sieht so aus, als ob …« Seine Stimme verstummte und dann stürmte er los, bahnte sich einen Weg durch die Menge.
Clary blinzelte und versuchte, wieder klar zu sehen. Aber sie konnte nur verschwommene Umrisse erkennen …
Im nächsten Moment hörte sie, wie Jace scharf die Luft einzog und sich dann ohne ein weiteres Wort hinter Alec durch die Menschenmenge drängte. Clary stieß sich von der Säule ab, um ihm zu folgen, strauchelte aber. Simon fing sie auf.
»Du musst dich unbedingt hinlegen, Clary«, sagte er.
»Nein«, flüsterte sie. »Ich will sehen, was passiert ist…«
Dann verstummte sie. Simon schaute an ihr vorbei zu Jace; er wirkte bestürzt. Erneut stützte Clary sich gegen die Säule, stellte sich vorsichtig auf die Zehenspitzen und versuchte angestrengt, über die Menge
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