Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
gewinnt. »Amatis«, setzte sie an und Lukes Schwester wandte sich vom Fenster ab und sah sie neugierig an.
»Ja? Was denn?«
»Du hast doch dieses silberfarbene Kleid in deiner Truhe«, sagte Clary. »Würdest du es mir vielleicht leihen?«Die Straßen der Stadt füllten sich bereits mit den ersten Feiernden, als Clary zum Haus der Lightwoods aufbrach. Kurz zuvor hatte die Abenddämmerung eingesetzt und die Straßenlaternen erleuchteten die Gassen mit ihrem rosafarbenen Schein. Weiße Blüten ergossen sich von den Blumenkörben an den Fensterbänken und gaben ihren aromatischen Duft an die ungewöhnlich milde Abendluft ab. An jeder Haustür, die Clary passierte, brannten dunkelgoldfarbene Feuerrunen, die von Triumph und Freudenfesten erzählten.
Zahlreiche Schattenjäger strebten bereits in Richtung des Engelsplatzes, doch keiner von ihnen trug die übliche Kampfmontur. Stattdessen hatten sie sich in Festkleidung unterschiedlicher Stilrichtungen gekleidet - neben modernen Anzügen und Kostümen entdeckte Clary auch elegante Abendroben, die fast an historische Gewänder erinnerten, und viele Frauen trugen Ballkleider, deren weite Röcke bei jedem Schritt hin und her schwangen. Als Clary in die Gasse einbog, in der das Haus der Lightwoods lag, überquerte vor ihr eine schlanke dunkle Gestalt die Straße - Raphael, Hand in Hand mit einer groß gewachsenen dunkelhaarigen Frau in einem roten Cocktailkleid. Der junge Vampir warf Clary über die Schulter einen Blick zu und schenkte ihr ein Lächeln - ein Lächeln, das ihr einen leichten Schauer über den Rücken jagte. Es stimmte tatsächlich, überlegte Clary, manchmal hatten Schattenwesen wirklich etwas Exotisches an sich, etwas Exotisches und Furchteinflößendes. Aber nicht alles Furchteinflößende musste notwendigerweise auch schlecht sein. Allerdings hatte Clary bei Raphael so ihre Zweifel …
Die Haustür der Lightwoods stand sperrangelweit offenund verschiedene Mitglieder der Familie warteten bereits auf dem Gehweg. Maryse und Robert Lightwood unterhielten sich mit zwei anderen Erwachsenen, die sich zu Clarys Überraschung als die Penhallows entpuppten, Alines Eltern. Maryse lächelte Clary zu, als sie an ihnen vorbeiging; die große Schattenjägerin trug einen eleganten Hosenanzug aus dunkelblauer Seide und hatte ihre Haare mit einem breiten Silberband zurückgebunden. Trotz des Lächelns wirkte Maryse furchtbar traurig und ähnelte dadurch Isabelle so sehr, dass Clary fast eine Hand ausgestreckt und sie ihr auf die Schulter gelegt hätte. Sie denkt an Max, genau wie Isabelle, dachte Clary. Sie denkt daran, wie sehr der kleine Junge all das hier genossen hätte.
»Clary!« Mit wehenden Haaren sprang Isabelle die Stufen hinunter. Sie trug keines der beiden Kleider, die sie Clary am Nachmittag gezeigt hatte, sondern ein schillerndes goldfarbenes Satinkleid, das ihren Körper wie geschlossene Blütenblätter eng umschmiegte.
Als Clary die mit Eisenspitzen versehenen Sandalen der jungen Schattenjägerin sah, musste sie an eine frühere Bemerkung von Isabelle denken - über Dämonenjagd und Mode - und innerlich lächeln.
»Du siehst umwerfend aus«, sagte Isabelle.
»Danke.« Ein wenig verlegen zupfte Clary an dem durchscheinenden Stoff ihres silbernen, schulterfreien Seidenkleides herum - es handelte sich wahrscheinlich um das Femininste, das sie je getragen hatte. Und jedes Mal, wenn ihre Haare die nackte Haut ihrer Schultern streiften, musste sie einen fast unbezwingbaren Drang unterdrücken, sich eine Jackeoder einen Kapuzenpullover zu greifen und sich hineinzukuscheln. »Du aber auch«, fügte sie, an Isabelle gewandt, hinzu.
Isabelle beugte sich vor und flüsterte ihr ins Ohr: »Jace ist nicht hier.«
Bestürzt wich Clary zurück. »Und wo …?«
»Alec meint, er könnte schon auf dem Platz sein, wo gleich das Feuerwerk stattfindet. Es tut mir leid, aber ich hab keine Ahnung, was mit ihm los ist.«
Clary zuckte die Achseln und versuchte, ihre Enttäuschung zu verbergen. »Ist schon okay.«
Im nächsten Moment traten Alec und Aline aus der Haustür. Das Mädchen trug ein leuchtend rotes Kleid, das ihre Haare blauschwarz schimmern ließ, während Alec gekleidet war wie immer -dunkle Hose unter dunklem Pullover. Allerdings musste Clary ihm zugute halten, dass der Pullover dieses Mal wenigstens keine sichtbaren Löcher hatte. Alec schenkte Clary ein freundliches Lächeln und sie stellte überrascht fest, dass er
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