Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
im Exil akzeptierten. »Dann sitzen Sie seit dieser Zeit hier unten?«
»Nein. Nach dem Aufstand habe ich Idris verlassen, ehe man mich schnappen konnte. Jahrelang bin ich im Ausland gewesen, jahrelang, bis ich Narr eines Tages zurückkehrte, in der Annahme, man hätte mich längst vergessen. Und natürlich wurde ich in dem Moment gefasst, in dem ich einen Fuß über die Grenze setzte. Der Rat hat Mittel und Wege, seine Feinde aufzuspüren. Man hat mich vor den Inquisitor geschleift und tagelang verhört. Als sie mit mir fertig waren, haben sie mich in diese Zelle geworfen.« Samuel seufzte. »In der französischen Sprache bezeichnet man diese Art von Gefängnis als oubliette. Das bedeutet wörtlich >ein vergessener Ort<. Dorthinein wirft man den Abschaum, an den man sich nicht mehr erinnern möchte, sodass dieser vor sich hin rotten kann, ohne die feinen Herren mit seinem Gestank zu belästigen.«
»Na prima. Ich bin ein Schattenweltler, also bin ich Abschaum. Aber das sind Sie nicht. Sie sind ein Nephilim.«
»Ich bin ein Nephilim, der mit Valentin unter einer Decke gesteckt hat. Das macht mich nicht besser als dich. Schlimmer noch: Es macht mich zu einem Abtrünnigen.«
»Aber es gibt doch zahlreiche andere Schattenjäger, die einst dem Kreis angehörten - die Lightwoods und die Penhallows …«
»Sie alle haben ihre Gefolgschaft widerrufen. Valentin den Rücken zugekehrt. Das habe ich nicht getan.«
»Ach nein? Aber warum denn nicht?«
»Weil ich mich vor Valentin viel mehr fürchte als vor dem Rat«, sagte Samuel, »und wenn du auch nur ein bisschen Verstand besitzt, Tageslichtler, dann sollte es dir nicht anders ergehen.«
»Aber du solltest doch in New York sein!«, rief Isabelle. »Jace hat gesagt, du hättest deine Reisepläne geändert. Er meinte, du wolltest bei deiner Mutter bleiben!«
»Jace hat gelogen«, erwiderte Clary nüchtern. »Er wollte nicht, dass ich hierherkomme. Deshalb hat er mich belogen, was eure Abreise betraf, und hat euch erzählt, ich hätte meine Meinung geändert. Erinnerst du dich, dass du mir mal gesagt hast, er würde niemals lügen? Da hast du dich verdammt geschnitten.«
»Normalerweise lügt er wirklich nicht«, murmelte Isabelle, die ganz bleich geworden war. »Hör mal, bist du hierhergekommen … ich meine, hat das irgendetwas mit Simon zu tun?«
»Mit Simon? Nein. Simon sitzt wohlbehalten in New York, Gott sei Dank. Obwohl er ziemlich sauer sein wird, dass ich mich nicht von ihm verabschiedet habe.« Isabelles verdutzter Gesichtsausdruck ging Clary allmählich auf die Nerven. »Jetzt, komm schon, Isabelle. Lass mich rein. Ich muss mit Jace reden.«
»Dann … dann bist du also ganz allein hierhergekommen? Hattest du eine Einreiseerlaubnis? Bitte sag mir, dass der Rat dir eine Genehmigung erteilt hat.«
»Nicht direkt…«
»Du hast das Gesetz gebrochen?« Isabelles Stimme schwoll erst an und brach dann ab. Schließlich fuhr sie fast im Flüsterton fort: »Wenn Jace das herausfindet, flippt er aus. Clary, du musst sofort nach Hause zurückkehren.«
»Nein. Ich habe das Recht und die Pflicht, hier zu sein«, erwiderte Clary, obwohl nicht einmal sie selbst wusste, woher ihre Hartnäckigkeit stammte. »Und ich muss unbedingt mit Jace reden.«
»Das ist jetzt kein günstiger Zeitpunkt.« Sehnsüchtig schaute Isabelle sich um, als hoffte sie, dass ihr jemand zu Hilfe eilen und sie dabei unterstützen würde, Clary abzuwimmeln. »Bitte, kehr einfach nach New York zurück, ja? Bitte!«
»Ich dachte, du würdest mich mögen, Izzy.« Clary versuchte, dem Mädchen Schuldgefühle zu machen.
Isabelle biss sich auf die Lippe. Sie trug ein weißes Kleid und hatte die Haare hochgesteckt, wodurch sie jünger als sonst wirkte. Hinter ihr konnte Clary einen großen Eingangsbereich mit hoher Decke und zahlreichen antiken Gemälden an den Wänden erkennen. »Natürlich mag ich dich. Es ist nur so, dass Jace … oh, mein Gott, was hast du denn da an? Woher hast du diese Schattenjägerkluft?«, fragte Isabelle.
Clary schaute an sich herab. »Ach, das ist eine lange Geschichte.«
»Du kannst in dieser Kleidung unmöglich ins Haus kommen. Wenn Jace dich sieht…«
»Na und, dann sieht er mich eben! Isabelle, ich bin wegen meiner Mutter nach Idris gekommen - für meine Mutter. Jace mag es vielleicht nicht gefallen, dass ich hier bin, aber er kann mich nicht zwingen, zu Hause zu bleiben. Ich musste einfach herkommen. Meine Mutter erwartet von mir, dass ich das
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