Chroniken der Unterwelt Bd. 3 City of Glass
die nun aus der Haustür trat, war hochgewachsen und hager, mit kurzen, stachligen dunklen Haaren. Der Mann trug ein goldenes Netzhemd und eine Pyjamahose aus Seide. Nachdenklich sog er an einer unglaublich großen Pfeife und betrachtete Clary mit freundlichem Interesse. Er war alles andere als ein Wikinger; dafür war er Clary aber bestens vertraut.
Magnus Bane.
»Aber…«, setzte Clary an und schaute verwirrt zu Sebastian, der mindestens so überrascht schien wie sie selbst.
Mit leicht geöffnetem Mund starrte er Magnus an und stammelte schließlich: »Bist du … Ragnor Fell? Der Hexenmeister?«
Magnus nahm die Pfeife aus dem Mund: »Na, ich bin ganz sicher nicht Ragnor Fell, der Stripteasetänzer.«
»Ich …«Sebastian schienen die Worte zu fehlen. Clary wusste nicht, was er erwartet hatte, aber Magnus war ein Anblick, den man erst einmal verdauen musste. »Wir hatten gehofft, du könntest uns helfen. Ich heiße Sebastian Verlac und das hier ist Clarissa Morgenstern - Jocelyn Fairchild ist ihre Mutter…«
»Mir egal, wer ihre Mutter ist«, erwiderte Magnus. »Ihr könnt hier nicht einfach so hereinschneien, ohne jeden Termin. Versucht es später noch mal. Anfang März würde mir passen.«
»März?« Sebastian starrte ihn entsetzt an.
»Du hast recht«, räumte Magnus ein. »Viel zu regnerisch. Wie war’s mit Juni?«
Sebastian richtete sich kerzengerade auf. »Ich habe den Eindruck, du verstehst nicht ganz, wie wichtig diese Angelegenheit ist …«
»Lass nur, Sebastian«, warf Clary empört ein. »Er macht sich nur über dich lustig. Außerdem kann er uns sowieso nicht helfen.«
Sebastian wirkte nun noch verwirrter. »Ich verstehe nicht ganz … Warum kann er uns nicht…«
»Also gut, das reicht jetzt«, sagte Magnus und schnippte einmal mit den Fingern.
Sofort erstarrte Sebastian zur Salzsäule, den Mund noch immer halb geöffnet und die Hand leicht ausgestreckt.
»Sebastian!« Entsetzt berührte Clary ihn am Arm, doch er war so reglos wie eine Statue. Nur seine Brust, die sich langsam hob und senkte, deutete daraufhin, dass er noch lebte. »Sebastian?«, fragte Clary erneut, aber es war zwecklos: Sie wusste instinktiv, dass er sie weder sehen noch hören konnte. Entrüstet wandte sie sich an Magnus: »Wie konntest du das tun? Was zum Teufel ist mit dir los? Hat das Zeug, das du da in deiner Pfeife rauchst, deinen Verstand vollends vernebelt? Sebastian steht auf unserer Seite.«
»Ich vertrete keine Seite, Clary-Herzchen«, erwiderte Magnus und wedelte abschätzig mit der Pfeife. »Und außerdem ist es deine eigene Schuld, dass ich ihn für einen Moment einfrieren musste. Du warst verdammt nah dran, ihm mitzuteilen, dass ich nicht Ragnor Fell bin.«
»Was wahrscheinlich daran liegt, dass du ja auch nicht Ragnor Fell bist.«
Magnus blies eine Rauchwolke gegen das Vordach und betrachtete sie nachdenklich durch den blauen Dunst. »Komm mal mit«, sagte er. »Ich will dir was zeigen.« Er hielt die Tür des kleinen Hauses auf und bedeutete ihr, ihm ins Innere zu folgen. Mit einem letzten zweifelnden Blick auf Sebastian setzte Clary sich in Bewegung.
Im Haus brannte keine einzige Lampe und das durch die winzigen Fenster einfallende, schwache Tageslicht reichte gerade aus, dass Clary einen großen Raum mit vielen dunklen Schatten erkennen konnte. In der Luft lag ein seltsamer Geruch, wie von brennendem Müll, der Clary würgen ließ. Magnus schnippte ein weiteres Mal mit den Fingern und sofort erschien ein grelles blaues Licht an seinen Fingerspitzen.
Clary hielt unwillkürlich die Luft an: Der Raum glich einem Schlachtfeld - das Mobiliar war zertrümmert, sämtliche Schubladen standen offen und ihr Inhalt lag über den gesamten Boden verstreut. Aus Büchern herausgerissene Seiten schwebten wie Asche in der Luft. Selbst die Fenster waren eingeschlagen.
»Ich habe letzte Nacht eine Nachricht von Fell erhalten«, erklärte Magnus. »Er bat mich, ihn hier zu treffen. Doch als ich heute hier auftauchte, habe ich dieses Chaos vorgefunden … sämtliche Sachen zerstört und über allem der Gestank von Dämonen.«
»Dämonen? Aber Dämonen können doch gar nicht nach Idris hinein …«
»Ich habe ja auch nicht gesagt, dass sie das getan hätten. Ich erzähle dir nur, was passiert ist«, sagte Magnus ohne Veränderung der Stimmlage. »Das ganze Haus stank nach irgendetwas, das dämonischen Ursprungs ist. Ragnors Leiche lag auf dem Boden. Er hat noch gelebt, als man ihn zurückgelassen hat, doch
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