Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
dein Leben zwischen meinen Fingern zerrinnt.
Sie hatte ihm nicht geglaubt. Nicht wirklich. Er war doch Jace. Und er würde ihr niemals wehtun. Clary schaute an sich herab und registrierte, wie das Blut in den Kragen ihres Kleides sickerte. Es leuchtete wie rote Farbe.
»Du siehst also, dass er genau das tut, was ich ihm sage«, stellte die Frau kühl fest. »Aber mach ihm deswegen keine Vorwürfe. Ich habe ihn vollständig in meiner Gewalt. Wochenlang bin ich durch sein Gehirn gekrochen und habe seine Träume gesehen, seine Ängste und Wünsche, seine Schuldgefühle und Sehnsüchte. In einem Traum hat er mein Runenmal akzeptiert und diese Rune brennt sich seitdem durch ihn hindurch — durch seine Haut bis tief in seine Seele. Und nun liegt seine Seele in meinen Händen; ich kann mit ihr machen, was ich will. Er wird tun, was immer ich von ihm verlange.«
Clary erinnerte sich wieder an Bruder Zachariahs Worte: Wenn ein Schattenjäger auf die Welt kommt, wird ein Ritual vollzogen: Sowohl die Brüder der Stille als auch die Eisernen Schwestern versehen das Neugeborene mit einer Reihe von Schutzzaubern. Als Jace starb und dann von den Toten auferstand, wurde er ein zweites Mal geboren, allerdings ohne seine bisherigen Schutzzauber. Dadurch war er so offen wie eine unverriegelte Tür — ungeschützt gegen jegliche Form von dämonischer Beeinflussung oder Boshaftigkeit.
Ich bin hierfür verantwortlich, dachte Clary. Ich habe ihn von den Toten zurückholen lassen und ich wollte, dass das Ganze ein Geheimnis bleibt. Wenn wir nur jemandem davon erzählt hätten, dann hätte dieses Ritual wahrscheinlich noch rechtzeitig durchgeführt werden können, bevor Lilith in seinen Kopf eindringen konnte. Clary empfand eine solch tiefe Abscheu gegen sich selbst, dass ihr schlecht wurde. Jace stand schweigend hinter ihr, reglos wie eine Statue, die Arme um sie gelegt und das Messer noch immer an ihrer Kehle. Clary konnte die Klinge an ihrem Hals spüren, als sie Luft holte und sich an Lilith wandte. »Ich verstehe, dass Sie Jace beherrschen«, sagte sie, um einen möglichst ruhigen und gleichmütigen Ton bemüht. »Aber ich verstehe nicht, warum. Es gibt doch sicherlich andere, einfachere Methoden, mich zu bedrohen.«
Lilith seufzte, als würde ihr die ganze Geschichte allmählich langweilig. »Ich brauche dich«, erklärte sie in übertrieben geduldigem Ton, »damit Simon tut, was ich von ihm verlange — damit er mir sein Blut gibt. Und Jace brauche ich aus zwei Gründen: um dich hierherzubringen sowie als Gegengewicht. Jede magische Handlung erfordert ein ausgewogenes Gleichgewicht, Clarissa.« Sie zeigte auf den grob gezeichneten schwarzen Kreis auf den Steinplatten und dann auf Jace. »Er war der Erste. Der Erste, der von den Toten erweckt wurde, die erste Seele, die im Namen des Lichts in diese Welt zurückgebracht wurde. Deshalb muss er zugegen sein, wenn ich die zweite Seele im Namen der Finsternis wiedererwecke. Verstehst du es jetzt, du dummes Mädchen? Wir alle werden hier gebraucht: Simon, um zu sterben. Jace, um weiterzuleben. Jonathan, um aufzuerstehen. Und du, Valentins Tochter, als Katalysator für all diese Dinge«, erklärte die Dämonin und verfiel dann in einen leisen Sprechgesang.
In dem Moment wurde Clary schlagartig bewusst, woher sie die Stimme kannte. Vor ihrem inneren Auge sah sie wieder ihren Vater, der im Inneren eines Pentagramms stand, während eine schwarzhaarige Frau mit Tentakeln statt Augen zu seinen Füßen kniete. Und die Frau psalmodierte: Das Kind, das mit diesem Blut in seinen Adern geboren wird, wird Kräfte besitzen, welche die der Dämonenfürsten des Abgrunds zwischen den Welten bei Weitem übersteigen. Aber das Blut wird ihm auch seine Menschlichkeit rauben, da Gift jeder Zelle das Leben raubt.
»Natürlich!«, stieß Clary hervor. »Jetzt weiß ich wieder, wer Sie sind. Ich hab gesehen, wie Sie sich in die Hand geschnitten und Ihr Blut in einen Kelch haben tropfen lassen … für meinen Vater. Der Engel Ithuriel hat es mir in einer Vision gezeigt.«
Simon schaute verwundert zwischen Clary und der Frau hin und her, aus deren dunklen Augen eine leichte Überraschung sprach. Vermutlich gab es nicht viele Dinge, die die Dämonin noch überraschen konnten, überlegte Clary und fuhr dann fort: »Ich habe gesehen, wie mein Vater Sie heraufbeschworen hat. Ich weiß, wie er Sie genannt hat: Herrscherin von Edom. Sie sind ein Dämonenfürst. Sie haben Ihr Blut gegeben, um meinen Bruder zu dem
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