Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
nicht sicher, ob er das Kainsmal noch einmal agieren sehen wollte.
Jace schüttelte den Kopf. »Die werden nicht in aller Öffentlichkeit angreifen, sondern bis nach dem Auftritt warten. Und dann sind wir zur Stelle, um sie uns vorzuknöpfen.«
»Ich weiß nicht recht …« Kyle hatte noch immer Bedenken.
Die Diskussion ging noch eine Weile hin und her — Jace und Simon waren dafür, Kyle dagegen. Simon hatte einen Anflug von schlechtem Gewissen: Wenn Kyle von seinem Mal gewusst hätte, wäre er wesentlich leichter zu überzeugen gewesen. Doch letztendlich gab er unter dem Druck der beiden nach und willigte widerstrebend in Simons Vorhaben ein, das er weiterhin als »Schnapsidee« bezeichnete.
»Also gut«, sagte er schließlich, stand auf und fegte sich ein paar Bagelkrümel vom T-Shirt, »aber ich mache nur mit, weil mir klar ist, dass ihr beide den Plan ja doch in die Tat umsetzt — ob ich nun zustimme oder nicht. Dann kann ich auch genauso gut dabei sein.« Er musterte Simon. »Wer hätte gedacht, dass es so schwierig werden würde, dich vor dir selbst zu schützen?«
»Das hätte ich dir gleich sagen können«, meinte Jace, während Kyle seine Jacke überstreifte und zur Tür marschierte, denn er musste pünktlich zur Arbeit. Offenbar jobbte er wirklich als Fahrradkurier — trotz ihres Rufs als knallharte Truppe schienen die Praetor Lupus nicht sonderlich gut zu zahlen.
Als sich die Tür hinter ihm schloss, wandte Jace sich an Simon: »Also, der Gig ist heute Abend um neun, richtig? Und was machen wir mit dem Rest des angebrochenen Tages?«
»Wir?« Simon starrte ihn ungläubig an. »Willst du denn überhaupt nicht mehr nach Hause?«
»Wie? Langweilt dich meine Gesellschaft etwa schon?«
»Ich will dich mal was fragen«, erwiderte Simon. »Findest du meine Gegenwart wirklich so faszinierend?«
»Was hast du gerade gesagt?«, hakte Jace nach. »Tut mir leid, ich war einen Moment lang eingenickt. Aber bitte, fahre doch fort … was auch immer du gerade wahnsinnig Spannendes geäußert haben magst.«
»Hör auf damit«, forderte Simon. »Verzichte mal eine Sekunde lang auf deinen Sarkasmus. Du isst nicht, du schläfst nicht. Und weißt du, wem das noch so geht? Clary. Ich hab zwar keine Ahnung, was mit euch beiden los ist, weil sie’s mir, offen gesagt, nicht erzählt hat … Ich vermute, sie will ebenfalls nicht darüber reden. Aber es ist ziemlich offensichtlich, dass ihr beide euch gestritten habt. Und wenn du mit ihr Schluss machen willst …«
»Mit ihr Schluss machen?« Jace starrte Simon an. »Hast du völlig den Verstand verloren?«
»Wenn du ihr weiterhin aus dem Weg gehst, wird sie mit dir Schluss machen«, erwiderte Simon.
Jace sprang auf. Seine nonchalante Haltung war schlagartig verschwunden und er schien hochgradig angespannt, wie eine Katze auf der Pirsch. Ruhelos ging er zum Fenster und zog den Vorhang etwas beiseite. Das Licht der Vormittagssonne fiel durch den Spalt und ließ die Farbe seiner Augen verblassen. »Ich habe meine Gründe«, sagte er schließlich.
»Na großartig«, schnaubte Simon. »Und kennt Clary diese Gründe?«
Jace schwieg.
»Sie liebt dich und vertraut dir … hat nie etwas anderes getan«, fuhr Simon fort. »Du schuldest ihr …«
»Es gibt wichtigere Dinge als Aufrichtigkeit«, unterbrach Jace ihn. »Meinst du, es macht mir Spaß, ihr wehzutun? Denkst du, es gefällt mir, dass ich sie schwer verärgere, vielleicht sogar dazu bringe, mich zu hassen? Warum, glaubst du wohl, bin ich hier?« Er musterte Simon mit hilfloser Wut. »Weil ich nicht bei ihr sein kann. Und wenn ich nicht bei ihr sein kann, ist es mir herzlich egal, wo ich sonst bin. Genauso gut kann ich auch bei dir sein. Denn wenn sie wüsste, dass ich dich zu beschützen versuche, würde sie vielleicht wenigstens das glücklich machen.«
»Du versuchst also, sie glücklich zu machen, obwohl du der eigentliche Grund dafür bist, dass sie unglücklich ist«, fasste Simon nicht sehr freundlich zusammen. »Das scheint ein Widerspruch in sich zu sein, findest du nicht?«
»Liebe ist ein Widerspruch in sich«, entgegnete Jace und wandte sich wieder dem Fenster zu.
8
IN DER FINSTERNIS WANDELN
Clary hatte ganz vergessen, wie sehr sie den Geruch von Krankenhäusern hasste — bis sie durch die Eingangstür des Beth-lsrael-Hospitals trat. Keimfreiheit, Metall, abgestandener Kaffee und nicht genügend Desinfektionsmittel, um den Gestank von Siechtum und Elend zu kaschieren. Die Erinnerung an ihre
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