Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
Straßenlaterne. »Simon?«
Oh, nein. Nicht jetzt, bitte nicht jetzt! Langsam drehte er sich um. Isabelle hatte noch immer einen Arm um seine Taille gelegt, doch er wusste, das würde sich bald ändern — falls die Person diejenige war, für die er sie hielt.
Sie war es tatsächlich.
Maia war in den Lichtkegel getreten und stand nun mit einem ungläubigen Ausdruck im Gesicht vor ihm. Der Regen hatte ihr die sonst so widerspenstigen Locken an die Schläfen gedrückt und ihre Jeans und Jeansjacke waren triefend nass. Ihre linke Hand umklammerte einen zusammengerollten Zettel, während sie ihn aus großen bernsteinfarbenen Augen anstarrte.
Vage nahm Simon wahr, dass die anderen Bandmitglieder auf dem Gehweg mit dem Beladen des Transporters innegehalten hatten und das Ganze verstohlen beobachteten. Isabelles Arm rutschte von seiner Hüfte.
»Simon?«, fragte sie. »Was ist hier los?«
»Du hast mir gesagt, du wärst die nächsten Tage beschäftigt«, sagte Maia, den Blick fest auf Simon geheftet. »Aber dann hat heute Morgen jemand das hier unter unserer Tür durchgeschoben.« Vorwurfsvoll hielt sie ihm den zusammengerollten Zettel unter die Nase, den Simon sofort als einen der Flyer für den Auftritt der Band erkannte.
Fragend schaute Isabelle von Simon zu Maia, dann dämmerte es ihr allmählich. »Warte mal«, setzte sie langsam an. »Triffst du dich etwa regelmäßig mit ihm?«
Entschlossen hob Maia das Kinn. »Du denn?«
»Ja«, bestätigte Isabelle. »Und zwar schon seit ein paar Wochen.«
Maia kniff die Augen zu Schlitzen. »Ich auch. Wir verabreden uns bereits seit September.«
»Ich fass es nicht«, stieß Isabelle hervor. Sie wirkte wie vor den Kopf geschlagen. »Simon?«, wandte sie sich aufgebracht an ihn, die Hände in die Hüften gestemmt. »Könntest du das vielleicht mal erklären?«
Die Bandmitglieder, die inzwischen alles zusammengepackt hatten — die Schlagzeugkoffer waren auf der Rückbank gestapelt, während die Gitarren und Verstärker die Ladefläche füllten —, hingen nun aus der Heckklappe heraus und glotzten unverhohlen. Eric legte die Hände zu einer Art Megafon um den Mund. »Aber, aber, meine Damen«, tönte er, »es besteht doch gar kein Grund zum Streiten. Schließlich ist genug Simon für alle da.«
Isabelle wirbelte herum und warf Eric einen derart Furcht einflößenden Blick zu, dass der sofort verstummte. Dann flogen die Hecktüren des Transporters zu und eine Sekunde später brauste der Van auch schon die Straße hinunter.
Verräter, dachte Simon, musste allerdings der Fairness halber einräumen, dass sie vermutlich annahmen, er würde mit Kyle nach Hause fahren, dessen Wagen um die Ecke geparkt war. Vorausgesetzt, er lebte lange genug …
»Ich kann es einfach nicht glauben, Simon«, knurrte Maia, die Hände — genau wie Isabelle — in die Hüften gestemmt. »Was hast du dir dabei gedacht? Wie konntest du mich nur so anlügen?«
»Aber ich hab nicht gelogen«, protestierte Simon. »Wir haben doch nie vereinbart, uns nicht auch mit anderen zu verabreden!« Dann wandte er sich an Isabelle. »Das Gleiche gilt für uns! Außerdem weiß ich, dass du dich auch mit anderen getroffen hast …«
»Aber mit niemandem, den du kennst!«, konterte Isabelle scharf. »Mit keinem deiner Freunde. Wie würdest du das finden, wenn herauskäme, dass ich mich auch mit Eric verabrede?«
»Ehrlich gesagt, wäre ich verblüfft«, erwiderte Simon. »Der ist so gar nicht dein Typ.«
»Darum geht es nicht, Simon.« Maia war näher an Isabelle herangerückt und die beiden starrten ihn nun gemeinsam an — eine unnachgiebige Mauer weiblicher Wut.
Die Alto Bar hatte sich inzwischen fast vollständig geleert und außer ihnen dreien stand niemand mehr auf der Straße. Simon fragte sich kurz, ob er es vielleicht an den beiden Mädchen vorbeischaffen würde, entschied sich dann aber dagegen: Werwölfe waren sehr schnell und bei Isabelle handelte es sich um eine ausgebildete Vampirjägerin.
»Tut mir wirklich leid«, stammelte er schließlich. Der Rausch, den das Trinken von Maureens Blut ihm beschert hatte, ließ glücklicherweise allmählich nach: Ihm war nicht mehr so schwindlig wie kurz zuvor, als die erhöhte Sinneswahrnehmung ihn fast zu überwältigen drohte; dafür verspürte er jetzt wachsende Panik. Und um das Ganze noch schlimmer zu machen, kehrten seine Gedanken unaufhörlich zu Maureen zurück — was er ihr angetan hatte und ob es ihr halbwegs gut ging. Bitte, bitte mach, dass
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