Chroniken der Unterwelt Bd. 4 City of fallen Angels
glänzend schwarze Haare und feuerrot geschminkte Lippen. Simon erinnerte sich vage, dass sie während des Auftritts an einem der Tische vor der Bühne gesessen hatte.
Er nickte, sagte aber nichts, da er sich selbst noch nicht über den Weg traute. Er musste ziemlich verstört wirken, wenn schon völlig Fremde sich nach seinem Wohlbefinden erkundigten.
»Du siehst aus, als hättest du dich dort oben am Kopf gestoßen«, bemerkte die Frau und deutete auf seine Stirn. »Ziemlich hässliche Wunde. Bist du sicher, dass ich nicht einen von deinen Kumpels holen soll?«
Hastig schob Simon sich die Haare in die Stirn, um das Mal zu verdecken. »Mir geht’s gut. Es ist wirklich nicht der Rede wert.«
»Okay. Wenn du es sagst«, erwiderte sie leicht skeptisch. Dann griff sie in ihre Manteltasche, holte eine Karte hervor und reichte sie Simon. Darauf stand ein Name: Satrina Kendall. Und darunter war in Kapitälchen ein Titel gedruckt — B AND P ROMOTER — zusammen mit einer Adresse und einer Telefonnummer. »Das bin ich«, erklärte sie. »Euer Auftritt da drin hat mir gefallen. Falls ihr also Interesse habt, die Sache etwas größer anzugehen, ruft mich an.« Und damit machte sie auf dem Absatz kehrt und schlenderte lässig davon, während Simon ihr nachstarrte. Diese Nacht konnte unmöglich noch bizarrer werden, überlegte er.
Kopfschüttelnd platschte er durch den Regen und bog um die Ecke, um zu Erics Transporter zurückzukehren. Durch die weit geöffnete Tür des Clubs strömten die Zuschauer in Gruppen auf die Straße. Alles wirkte noch immer unnatürlich hell und bunt, dachte Simon, obwohl sein prismenhaftes Sehvermögen bereits ein wenig nachließ. Die Szenerie vor ihm war jedenfalls ganz normal: Die Bar leerte sich, Leute tummelten sich auf dem Gehweg und direkt davor stand der neongelbe Bus mit aufgeklappter Hecktür, durch die Matt, Kirk und mehrere ihrer Freunde das Equipment auf die Ladefläche schoben. Als Simon näher kam, sah er, dass Isabelle gegen die Seite des Vans lehnte, ein Bein leicht hochgezogen und die Hacke ihres Stiefels gegen das ramponierte Blech gestützt. Natürlich hätte sie den Jungs beim Abbauen helfen können — schließlich war sie stärker als jedes andere Bandmitglied, von Kyle vielleicht mal abgesehen —, aber man konnte ihr ansehen, dass sie einfach keine Lust dazu hatte. Andererseits hatte Simon auch nichts anderes von ihr erwartet.
Als er auf sie zukam, schaute sie auf. Der Regen hatte inzwischen etwas nachgelassen, aber sie musste schon eine ganze Weile im Freien gewartet haben: Ihre Haare hingen wie ein schwerer, feuchter Vorhang über ihre Schultern und ihren Rücken. »Na du«, sagte sie, drückte sich vom Transporter ab und schlenderte auf ihn zu. »Wo hast du gesteckt? Du bist einfach so von der Bühne gestürmt …«
»Ja«, bestätigte Simon. »Mir war nicht gut. Tut mir leid.«
»Hauptsache, es geht dir jetzt wieder besser.« Isabelle schlang die Arme um ihn, schaute zu ihm hoch und lächelte.
Simon registrierte mit enormer Erleichterung, dass er nicht den geringsten Drang verspürte, sie zu beißen. Doch als er sich an den Grund erinnerte, erfasste ihn ein heißes Schuldgefühl. »Du hast nicht zufälligerweise Jace gesehen?«, fragte er.
Isabelle rollte mit den Augen. »Ich bin ihm eben über den Weg gelaufen, als er mit Clary rumknutschte«, erklärte sie. »Allerdings sind sie inzwischen verschwunden — nach Hause, hoffe ich doch mal. Die beiden sind wirklich ein klassischer Fall von ›Nehmt euch ein Zimmer‹.«
»Ich hatte gedacht, Clary könnte heute Abend nicht vorbeikommen«, überlegte Simon laut. Aber dann war es auch wieder nicht so ungewöhnlich: Vermutlich war der Termin für das Aussuchen der Hochzeitstorte ausgefallen oder verschoben worden. Und über Jace’ Pflichtvergessenheit als sein Leibwächter konnte er sich auch nicht ärgern — zum einen war er nicht davon ausgegangen, dass der Schattenjäger die Sache wirklich ernst nahm, und zum anderen fehlte ihm einfach die Energie dazu. Er hoffte einfach nur, dass Jace und Clary ihre Probleme irgendwie in den Griff bekommen hatten, worum es sich dabei auch immer gehandelt haben mochte.
»Ist ja auch egal«, erwiderte Isabelle achselzuckend und fügte dann grinsend hinzu: »Und da jetzt nur noch wir zwei übrig sind, möchtest du vielleicht noch irgendwohin gehen oder …«
Im selben Moment drang eine Stimme, eine sehr vertraute Stimme, aus dem Schatten jenseits des Lichtkegels der nächsten
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