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Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser

Titel: Chroniken der Weltensucher 01 - Die Stadt der Regenfresser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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verzehrenden Hass. Sie hat das Kloster nur auf mein Anraten hin verlassen. Sie wäre dort zerbrochen.«
    »Und jetzt ist sie hinter uns her«, sagte Oskar. »Können wir ihr entkommen?«
    Humboldt nickte bedächtig. »Wir müssen es versuchen, aber es wird nicht leicht.«
    »Vielleicht sollten wir uns verstecken«, sagte Charlotte.
    »Valkrys ist eine Meisterin im Lesen von Spuren. Jeder geknickte Grashalm, jeder noch so kleine Kieselstein, der nicht an seinem Platze liegt, würde uns verraten.« Humboldt straffte seine Schultern. »Nein, unsere einzige Chance liegt darin, schneller zu sein als sie. Wir müssen vorausreiten und den verborgenen Pfad finden. Wenn die Legende stimmt, dann liegt er so versteckt, dass Valkrys ihn nicht finden wird. Dort wären wir in Sicherheit.« Er richtete sich auf. »Wir werden noch vor Sonnenaufgang aufbrechen und weiterreiten.«
    Oskar blickte sich um. »Diese Gegend gefällt mir nicht«, sagte er. »Habt ihr bemerkt, wie still es hier ist? Keine Vögel oder Insekten, nicht mal die kleinste Maus. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mir stellen sich die Nackenhaare auf.«
    »Wilma spürt es auch«, sagte Charlotte. »Sie hat nicht einmal ihre Transportkiste verlassen. Normalerweise stromert sie doch immer irgendwo durchs Unterholz.«
    »Ich wäre dafür, dass wir unser Lager befestigen«, sagte Oskar. »Wir könnten einige von diesen dornigen Büschen zusammentragen und daraus einen Wall errichten. So wie es die Trapper in den Lederstrumpf-Romanen immer machen, um sich gegen feindliche Indianer zur Wehr zu setzen. Wenn wir angegriffen werden, können wir sie anzünden und hätten so eine wirksame Verteidigung.«
    Humboldt lachte. »Mein lieber Oskar, du hast zu viel Cooper gelesen. Hier gibt es keine Indianer und wilde Tiere gibt es auch nicht. Du kannst ganz unbesorgt sein. Aber wenn es dich beruhigt, werden wir beide heute Nacht Wache halten.« Er zwinkerte ihm zu. »Jeweils zwei Schichten zu je zwei Stunden. Du fängst an.« Er reckte sich. »Und jetzt ins Bett. Ich bin hundemüde.«

21
     
     
    Es war kurz nach zwei, als Oskar das Geräusch zum ersten Mal hörte. Er war ein Schnarren oder Raspeln, ganz so, als würde jemand mit einer Feile über Holz reiben. Erst war es in einiger Entfernung zu hören, dann kam es langsam näher. Wilma, die die ganze Zeit auf seinem Schoß geschlafen hatte, hob den Kopf. Ein misstrauisches Grunzen stieg aus ihrer Kehle.
    »Hast du das auch gehört?« Oskar spitzte die Ohren. »Klingt, als würde irgendetwas über den Boden schleifen.«
    Das Geräusch wechselte die Richtung. Erst umkreiste es das Lager, dann wanderte es von links nach rechts und dann wieder zurück.
    »Sicher ein Tier, das uns beobachtet«, flüsterte Oskar. »Ich bin froh, dass wir überhaupt mal was hören. Diese Stille ist ja nicht auszuhalten.« Er sagte das mit viel mehr Selbstsicherheit, als er tatsächlich dabei empfand. Das Geräusch hatte etwas Beunruhigendes, Lauerndes.
    Als hätte es seine Gedanken gelesen, setzte es mit einem Mal aus.
    Oskar zog einen Stock aus der Glut und hielt ihn in die Höhe. Der plötzliche Luftzug ließ ihn aufflammen. Langsam erhob er sich und ging um das Zelt herum. Der flackernde Schein der Fackel warf bizarre Schatten ins Unterholz. Sein Herzschlag pochte ihm in den Ohren. Er fühlte, wie ihm kalter Schweiß ausbrach. Langsam umrundete er den nächsten Busch. Seine Gedanken kreisten immer wieder um die Frage, was das wohl gewesen sein mochte. Er hatte noch nie etwas Vergleichbares gehört. Allerdings war das auch nicht verwunderlich, schließlich hatte er sein ganzes Leben nur an einem einzigen Ort verbracht. Als Berliner konnte man sich wohl kaum ein Urteil darüber anmaßen, welche Geräusche in einer südamerikanischen Nacht normal waren und welche nicht. Vielleicht war es nur ein harmloses kleines Säugetier, das versucht hatte, seine Nahrung in den Bau zu schleppen. Sein Instinkt jedoch sagte ihm, dass es etwas anderes gewesen war.
    Er ging noch ein paar Schritte weiter, dann blieb er stehen. Im Staub waren Spuren zu sehen. Er hockte sich hin und fuhr mit dem Finger über die seltsamen Markierungen. Der Boden war bedeckt mit einer Vielzahl von Abdrücken. Interessanterweise waren sie nicht wild durcheinander, sondern in drei Hauptzonen unterteilt. Eine direkt vor ihm, eine weiter weg und dazwischen etwas, das aussah, als hätte man einen schweren Gegenstand über den Boden geschleift. Mal abgesehen davon, dass einige der Abdrücke

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