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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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durchströmt. Sein Mund öffnete sich zu einem Schrei, doch kein Ton kam über seine Lippen. Er ballte seine Fäuste, bis das Weiße an den Knöcheln hervortrat. Seine Augen weit aufgerissen, starrte er in den Himmel.
    Charlotte konnte es nicht mitansehen. »Hör auf!«, schrie sie. »Schalte das Gerät ab, du tötest ihn!«
    Doch der Forscher blieb eisern.
    Charlotte sah mit Entsetzen, wie sich Oskars Körper veränderte. Er bog und krümmte sich, dann schien er länger zu werden. Er wurde lang und dünn wie ein Gummiband. Als sie dachte, dass es nicht mehr schlimmer kommen könnte, wurde er auf einmal durchsichtig. Seine Haut sah aus, als bestünde sie aus Glas. Für den Bruchteil einer Sekunde waren Oskars innere Organe zu erkennen. Herz, Lunge und Magen, sogar sein Skelett schimmerten auf. Der Augenblick verging, doch was nun folgte, war nicht minder erschreckend. Von einer auf die andere Sekunde war der Junge von einer glänzenden Schicht eingehüllt, die ihn aussehen ließ, als hätte man ihn mit Öl übergossen. Die Glasur schien aus allen Poren zu kommen und bedeckte Gesicht, Brust, Arme und Beine. Er schwitzte das Zeug regelrecht aus. Ehe Charlotte sich noch fragen konnte, was das wohl war, was da aus ihm herauskam, floss die seltsame Substanz ab und versickerte im Boden. Ein dunkler Fleck war alles, was davon zurückblieb. Oskar stand eine Weile völlig verdattert da, dann brach er zusammen.
    Humboldt drückte Charlotte den Kasten in die Hand, dann eilte er auf seinen Sohn zu und ging neben ihm in die Hocke.
    Langsam und mit wild schlagendem Herzen folgte Charlotte.
    »Wie geht es ihm?«
    Humboldt fühlte den Puls, dann lauschte er den Atem- und Herzgeräuschen. Auf seinem Gesicht breitete sich Erleichterung aus. »Er lebt«, sagte er. »Seine Haut ist warm und sein Herz schlägt regelmäßig.«
    Eine Woge der Erleichterung überrollte Charlotte. »Ist das fremde Wesen aus ihm heraus?«
    Humboldt lächelte zaghaft. »Ich kann nichts versprechen, aber mir scheint, dass er wieder ganz der Alte ist.« Er stand auf, hob Oskar hoch und warf ihn sich über die Schulter. In seinen Augen glitzerten Freudentränen. »Lass uns gehen«, sagte er. »Wir werden später wiederkommen und den Rest erledigen. Im Moment zählt nur mein Sohn.«
    Charlotte blickte zum Hauptkristall empor. Von der Spitze des riesigen Turms rieselte der Sand herab. In wenigen Minuten würde auch er zu Staub zerfallen sein, genau wie der Großteil der anderen Kristalle.
    Das fremde Wesen war besiegt.
    Sie schickte einen stillen Dank gen Himmel.

 
64
     
     
    »Da kommen sie.« Eliza deutete über die Brücke. Auf der anderen Seite waren undeutlich zwei Gestalten aufgetaucht. Humboldt und Charlotte.
    Jabo rannte laut kläffend auf die andere Seite. Auch Wilma war nicht mehr zu bändigen. Kaum hatte sie den Namen ihres Herrchens gehört, hüpfte sie aus ihrer Tasche und folgte ihrem vierbeinigen Freund. Eliza kniff die Augen zusammen. Für einen Moment hatte es so ausgesehen, als ob Carl Friedrich verletzt wäre, doch dann erkannte sie, dass er eine schwere Last über der Schulter trug.
    Oskar!
    Eliza legte ihre Hände an die Brust und schloss die Augen. Sie brauchte nicht lange, um ihn zu finden. Die Aura des Jungen war zwar schwach, aber trotzdem gut zu erkennen. Die Tage, in denen er nur als Schatten existiert hatte, waren vorüber. Oskar lebte.
    Mit Jabo und Wilma im Schlepptau kamen die Abenteurer zurück. Stürmisch wurden sie von den Dogon empfangen. In aller Eile erklärte Humboldt ihnen, was vorgefallen war. Da das Linguaphon nicht mehr funktionstüchtig war, bemühte Eliza sich aus Leibeskräften, alles richtig zu übersetzen. Yatimè half ihr dabei. Humboldt nahm seine Brille ab und polierte die Gläser. »Wir fanden ihn beim Hauptkristall«, erläuterte er. »Ich muss noch mal zurück und den Rest der Kristalle erledigen. Dazu brauche ich ein paar Freiwillige.«
    Eliza lächelte. »Dann hat meine Idee also funktioniert?«
    »Funktioniert?« Humboldt trat an sie heran und schloss sie in die Arme. »Du bist meine Retterin«, sagte er. »Unsere Retterin. Die Töne haben die Kristalle derartig in Schwingung versetzt, dass sie innerlich zerbrachen. Du hättest es sehen sollen: Sie zerfielen einfach zu Staub. Als habe ein Wind sie erfasst und zerblasen.« Er klopfte Ubirè auf den Rücken. »In den Gesängen der Dogon wohnt eine ungeheure Kraft – stärker, als ich es selbst je für möglich gehalten hätte. Und du bist diejenige, die das

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