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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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schlaffen Riesensack mit Leben.
    Für Oskar war es die Zeit der Erholung. Während alle anderen an der Instandsetzung mithalfen, durfte er die Tage an der Seite von Charlotte verbringen. Seit man ihn ins Krankenlager gebracht hatte, war sie keine Minute von seiner Seite gewichen.
    Das fremde Wesen hatte seinen Körper verlassen. Mit seinem Verschwinden war auch die Lebensfreude zurückgekehrt. Es gruselte Oskar, wenn er daran dachte, wie einsam und verloren er während der letzten Wochen gewesen war. Doch jetzt hatte er endlich Zeit, über das nachzudenken, was ihm widerfahren war. Dabei ging ihm die Kreatur nicht mehr aus dem Sinn. So viele Hunderttausend Kilometer, so viele Jahre. Und das alles nur auf der Suche nach Gesellschaft. Wie schrecklich es sein musste, niemanden zu haben, bei dem man sich aufgehoben und geborgen fühlte.
    Oskar sah zu Charlotte hinüber, die ihre Nase in ein Buch gesteckt hatte und grinste. Sie gehörten zusammen, das war ihm jetzt klar geworden. Er mochte sie und sie mochte ihn. Eine einfache Rechnung, ob seinem Vater das nun passte oder nicht. Er hatte einfach keine Lust mehr, sich über seine Gefühle den Kopf zu zerbrechen. Gewiss, Humboldt hatte ihm von dieser Beziehung abgeraten, aber hielt er selbst sich denn an gesellschaftliche Konventionen? Und was waren schon Konventionen? Nur eine Übereinkunft zwischen Menschen, die ihre Auffassung für die einzig maßgebliche hielten und bei denen es keinen Platz für. Außenseiter gab. Aber Außenseiter, das waren sie, alle miteinander, wie sie in Humboldts Haus lebten. Warum sich also noch länger quälen?
    Oskar tastete nach Charlottes Hand und drückte sie sanft. Sie erwiderte den Druck und legte das Buch weg. Gemeinsam erwarteten sie das Eintreffen von Ubirè.
    Der alte Mann hatte durch Boten ankündigen lassen, dass er mit einer großen Überraschung auf dem Weg zu ihnen war. Doch was das war, wollten sie nicht verraten. Humboldt schien etwas zu ahnen, aber auch er sagte kein Wort. »Dann ist es doch keine Überraschung mehr«, pflegte er bei solchen Situationen immer zu sagen.
    Oskar tippte Charlotte an. Von Norden näherte sich eine kleine Gruppe von Dogon. Er sah zwei von Wilsons Maultieren sowie einen hölzernen Wagen. Einige Träger liefen hinterher. Ubirè sowie Yatimès Vater, der Schmied, gingen vorneweg. Über seinen muskulösen Schultern hing ein Leinensack, in dem sich irgendetwas Schweres befand.
    »Ohne die Dogon hätten wir es nie geschafft«, sagte Oskar. »Das Schiff ist wieder in einem fabelhaften Zustand. Fragt sich nur, was mit dem Motor geschieht. Ohne ihn ist die Pachacútec nicht mehr als ein Heißluftballon.«
    »Wart’s ab«, lächelte Charlotte. »Ich könnte mir vorstellen, dass den Dogon noch etwas eingefallen ist …«
    Die Träger und der Karren waren am Schiff angekommen. Seile und Strickleitern wurden herabgelassen, an denen einige der Männer emporkletterten. Auf dem Wagen lag etwas, das von braunen Decken verhüllt war. Man befestigte Seile daran, dann zogen die Männer es empor. Wie schwer der Gegenstand sein musste, erkannte Oskar daran, dass das Schiff zur Backbordseite hin absackte. Schwitzend und mit äußerster Mühe wurde das Ding an Bord gehievt und auf die Planken heruntergelassen. Dann kamen Ubirè und der Schmied an Bord. Yatimè hatte Jabo in einer Schultertasche mitgebracht und kletterte hinter den anderen her. Oskar war froh, das Mädchen wiederzusehen. Sie hatte in der letzten Woche enorme Fortschritte gemacht und sprach mittlerweile ganz passabel Deutsch. Charlotte und Oskar gingen zu den anderen, um der feierlichen Enthüllung beizuwohnen. Als alle eingetroffen waren, ergriff Ubirè das schwere Stofftuch und zog es zur Seite. Was darunterlag, ließ Oskars Augen größer werden. Es war eine brandneue, frisch geschmiedete Antriebswelle. Das schwarze Eisen schimmerte in der Sonne und der Geruch nach Öl stach in die Nase. Dann trat der Schmied vor und leerte seinen Sack aus. Fünf blank polierte Zahnräder polterten auf die Planken.
    »Unser Geschenk an die Himmelsmenschen«, sagte Yatimè. »Die Teile, die notwendig sind, um euer fliegendes Tier wieder zum Leben zu erwecken.«
    Humboldt kniete sich hin und strich mit den Fingern über die Teile. Er nahm eines der Zahnräder in die Hand und hielt es gegen das Licht. Dann lupfte er seine Brille und ging mit seinem Auge ganz dicht heran. »Die sind fabelhaft gearbeitet«, sagte er. »Nicht mal Gusskanten sind zu sehen. Wie ist euch das

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