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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Blitze zuckten auf, gefolgt von ohrenbetäubendem Krachen. Oskar hatte seine Füße gegen die Ankerwinde gestemmt und wartete auf das Ende. Entweder das des Sturms oder sein eigenes. Die Plane über seinem Kopf rauschte und flatterte. Er untersuchte seine Taschen, doch viel hatte er nicht dabei. Ein Messer und ein Tuch, dazu noch eine Schutzbrille und einen Stift in seiner Brusttasche. Er griff nach der Brille. Das Messinggestell war mit Lederriemen und getönten Gläsern versehen, damit man als Reisender gegen die gleißenden Strahlen der afrikanischen Sonne geschützt war. Humboldt hatte ihnen erklärt, dass man in der Wüste genauso an Schneeblindheit erkranken könne wie auf dem höchsten Gipfel. Die Brille hatte aber noch einen weiteren Vorteil: Sie schützte gegen den Sand.
    Oskar zog den Lederriemen über seinen Kopf, drückte das Gestell auf seine Nase und blinzelte in den Sturm hinaus. Die weichen Ränder der Schweißerbrille passten sich perfekt seiner Kopfform an. Als Nächstes zog er das Taschentuch aus der Hose, legte es über Mund und Nase und knotete die Enden hinter seinem Kopf zusammen. Endlich konnte er wieder frei atmen. Seine Augen benötigten zwar eine Weile, um sich an die dunklen Gläser zu gewöhnen, aber bald ging es besser. Er kroch unter der Plane hervor und stand auf. Sofort streckte der Sturm seine sandigen Pranken nach ihm aus und zerrte an seiner Kleidung. Oskar ergriff die hölzerne Reling und hielt sich daran fest.
    Viel war nicht zu erkennen. Die Sicht betrug nur wenige Meter. Das Rauschen machte eine Orientierung unmöglich. Wohin er seinen Kopf auch drehte, überall der gleiche Anblick.
    Er musste irgendwie versuchen, das Schiff aus der Gefahrenzone zu steuern. Seine einzige Chance lag darin, auf Höhe zu gehen. Sobald der Wind sich gelegt hatte, konnte er ja wieder tiefer fahren und seine Freunde suchen.
    Zum Glück wusste er, wie man die Pachacútec bediente. Zuerst mal musste man die Trudelbewegung ausgleichen. Wenn es ihm gelang, diese Bewegung zu stoppen, hatte er schon einen ersten kleinen Sieg errungen.
    Er erreichte die Treppe, die zum Achterdeck führte, und krabbelte auf allen vieren hinauf. Überall lag Sand, das ganze Schiff war bedeckt davon. Er konnte bereits das Steuerrad sehen, das führerlos hin und her rotierte. Die flügelartigen Ruder ächzten im Wind, schienen aber noch intakt zu sein. Wären die dünnen Tierhäute, mit denen sie bespannt waren, zerstört gewesen, Oskar hätte seine Bemühungen gleich aufgeben können. So aber bestand noch eine Chance, aus dem Unwetter herauszukommen.
    Die letzten Meter bis zum Steuerrad waren noch einmal schwierig. Der Sturm schien zu spüren, dass man ihm seine Beute wegnehmen wollte. Er blies und tobte, dass das Luftfahrzeug trunken von einer Seite zur anderen kippte.
    Mit aller Kraft packte Oskar das hölzerne Steuerrad und versuchte, das Schiff in den Wind zu lenken. Das Brausen wurde stärker. Die Kräfte, die auf das Steuerrad wirkten, waren enorm. Oskar musste sich mit aller Kraft gegen die Planken stemmen. Immer wieder rutschten seine Füße weg, doch nach einer Weile gelang es ihm, die Pachacútec zu drehen. Das Heulen in der Takelage wurde leiser und das Schiff beruhigte sich.
    Schwer atmend wagte Oskar einen Blick auf die Instrumente. Die Schubhebel und die Messanzeigen waren alle mit Sand bedeckt. Ohne das Ruder loszulassen, versuchte er, den Belag so weit zu entfernen, dass die Regler wieder frei bewegbar waren. Ein prüfender Schub nach vorn und die Motoren jaulten auf. Der Sand hatte das Getriebe also noch nicht beschädigt. Die Propeller drehten sich und hoben das Schiff merklich in die Höhe. Oskar nickte grimmig. Noch war nicht alles verloren.
    Er ging auf Vollgas und schwenkte die Ruder auf Steigflug, als es auf einmal dunkler wurde. Ein riesiger Schatten tauchte vor ihm auf.
    Erschrocken hielt er die Luft an.
    Es war eine Wand – eine Felswand! Spalten und Risse durchkreuzten die genarbte Oberfläche wie die eines alten Drachen. Der Tafelberg! Wie hatte er ihn nur vergessen können?
    Verzweifelt drehte er am Steuerrad, doch es war zu spät. Ein furchtbares Krachen ertönte. Das Ruder wurde seinen Händen entrissen. Von einem Schlag getroffen, flog Oskar quer über das Achterdeck und prallte gegen die Reling. Steine und Geröll prasselten auf ihn nieder. Er konnte gerade noch zur Seite rollen, als sich ein dicker Gesteinsbrocken aus der Felswand löste und direkt neben ihm aufs Deck krachte. Holz brach.

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