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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Balken splitterten. Der Ballonkörper ächzte und stöhnte.
    Das Schiff hatte deutlich Schlagseite. Nur wenige Meter von ihm entfernt, zog der steinerne Wall an ihm vorüber. Das rechte Seitenruder war völlig zerschmettert. Holzteile, Seile, Bespannung baumelten am Ende des zerbrochenen Gestänges. Was sollte er jetzt bloß tun? Erneut krachte das Schiff gegen die Felsen.
    Oskar hörte das Reißen von Stoff. Pfeifend entwich das Gas. In diesem Moment zuckte ganz in seiner Nähe ein Blitz auf. Die Luft war mit Elektrizität gesättigt. Wasserstoff und Elektrizität, das vertrug sich überhaupt nicht. Ein Funken und das Schiff würde explodieren wie eine Bombe.
    Voller Panik sah er sich um.
    Er musste von Bord, und zwar schnell.
    Stolpernd und taumelnd eilte er auf die andere Seite des Schiffs. Tief unter sich konnte er den Boden erkennen. Die Höhe betrug vielleicht zehn oder fünfzehn Meter. Geröll, Büsche und Bäume zischten in hohem Tempo an ihm vorbei. Erneut wurde das Schiff gegen diese teuflische Felswand gedrückt. Der Schlag erschütterte die Pachacútec vom Kiel bis in die Mastspitzen. Der Schlag war so heftig, das Oskar über die Reling geschleudert wurde. Es gelang ihm gerade noch, die hölzerne Begrenzung zu packen und sich festzuklammern. Nur an den Fingerspitzen hängend, kämpfte er ums Überleben. Er hatte keine Kraft mehr, um sich wieder hochzuziehen, und es war nur eine Frage von Sekunden, bis ihn die nächste Erschütterung endgültig in die Tiefe stürzen lassen würde.
    In diesem Augenblick traf er eine Entscheidung. Es war die verrückteste und waghalsigste Entscheidung seines Lebens, aber er hatte keine andere Chance. Unter ihm war ein Hang. Er stieg zur Felswand hin steil an und bestand größtenteils aus Sand und Geröll. An seinem Fuß wuchsen etliche Büsche und Sträucher, die einen Fall zur Not abbremsen konnten.
    Oskar schloss die Augen und ließ los. Er spürte, wie er abwärts in die Tiefe sauste. Sein Magen fühlte sich an, als ob ihm jemand eine Faust hineingerammt hätte.
    Der Fall schien endlos zu dauern. Als er schon fast nicht mehr damit rechnete anzukommen, berührten seine Füße die Erde. Die Wucht des Aufpralls riss ihm die Beine unter dem Leib weg. Er fiel der Länge nach hin, überschlug sich ein paarmal und rutschte dann in steilem Winkel bergab. Sand und Staub raubten ihm die Sicht. Unten war oben und oben war unten. Alles drehte sich. Er spürte einen stechenden Schmerz in der Brust, dann einen Schlag gegen den Kopf. Er konnte gerade noch das Ende des Hanges erkennen, als er gegen einen dickeren Felsbrocken krachte und die Orientierung verlor. Mit einem letzten Aufflackern seines Bewusstseins sah er, wie er in ein Gewirr aus Zweige und Blätter sauste. Es rauschte, knackte und raschelte, dann wurde es schwarz um ihn.

 
22
     
     
    Einige Stunden später …
     
    Charlotte saß mit dem Rücken gegen den Stamm des mächtigen Baums gelehnt und starrte hinaus in die Nacht. Kalt war es geworden. Der Sturm war verklungen und die Sterne waren hervorgekommen. Der Himmel war wie leer gefegt und Stille hatte sich auf das Land gesenkt.
    Humboldt hatte ein kleines Feuer entzündet und stocherte mit einem Stock darin herum. Eliza kauerte neben ihm und hielt ihre Hände über die Flammen. Nur das Zirpen der Grillen war zu hören, hin und wieder unterbrochen vom Knacken der Scheite. Alle starrten in die Glut.
    »Bestimmt ist er irgendwo gelandet und wartet auf uns«, sagte Charlotte. »Wir sollten uns aufmachen und nach ihm suchen.«
    Humboldt legte den Stock zur Seite. »Wie stellst du dir das vor? Sollen wir in die Nacht hinausgehen und geradewegs in die Irre laufen? Wir wissen ja noch nicht mal, in welcher Richtung wir suchen sollen.« Er schüttelte den Kopf. »Kommt nicht infrage.«
    »Aber irgendetwas müssen wir doch tun.« Charlotte presste die Lippen aufeinander. »Alles ist besser, als hier rumzusitzen und zu warten.« Sie spürte, wie der Forscher seine Hand auf ihre Schulter legte. Im zuckenden Schein der Flammen wirkte sein Gesicht gramzerfurcht. »Es tut mir so leid«, sagte er. »Wenn es irgendetwas gegeben hätte, was ich hätte tun können, ich hätte es getan, glaub mir. Ich sehe immer noch sein Gesicht vor mir, wie er davongetrieben wurde. Diese Augen, die Furcht in seinen Augen. Das werde ich nie vergessen.«
    »Und wenn er verletzt ist?«, hakte Charlotte nach. »Es könnte doch sein, dass er irgendwo liegt und auf unsere Hilfe wartet.« Sie blickte Eliza an.

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