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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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verfehlten seine Haut nur um Zentimeter. Hoch aufgerichtet stand der Rüde über Oskar und blickte ihm geradewegs in die Augen. Geifer tropfte von seine Lefzen. In seinen Augen leuchtete Mordlust.
    Oskars Sinne begannen sich zu verwirren. Der Schmerz und die Hitze waren einfach zu viel für ihn. Er sah ein, dass es sinnlos war, Widerstand zu leisten. Er würde sterben, so oder so. Warum sich also wehren? Aber wenn schon sterben, dann wenigstens nicht bei vollem Bewusstsein.
    Er hob seine Hände, um sie vors Gesicht zu legen.
    In diesem Moment geschah etwas Unerwartetes. Der Leitrüde zuckte zurück, als hätte ihn ein elektrischer Schlag getroffen. Mit Furcht in den Augen starrte er auf Oskars Hand. Auch die anderen Hunde ließen von Oskar ab. Die Köpfe gesenkt, die Schwänze zwischen die Hinterläufe geklemmt, wichen sie zurück.
    Jetzt meldete sich die Stimme zurück.
    Hebe deine Hand, sagte sie. Hebe sie und du wirst befreit werden.
    Oskar konnte kaum glauben, was hier geschah. Er kam sich vor, als hätte er einen schlechten Traum. Die Hunde, die eben noch finster entschlossen waren, ihn zu zerreißen, krochen winselnd am Boden. Was ging hier vor? Sein Arm … oh, sein Arm.
    Alles wird gut, du wirst sehen.
    Langsam und unter starken Schmerzen hob er seine Hand. Die Hunde winselten und kläfften. Rasend vor Wut und Angst rannten sie umeinander, jaulten, manche von ihnen bissen sich sogar selbst. Oskar kroch auf den Leitrüden zu, die Hand immer noch ausgestreckt haltend. Der Hund knurrte und geiferte. Ihm war anzusehen, dass er sich vor irgendetwas schrecklich fürchtete. Meter für Meter und auf allen vieren kroch Oskar auf ihn zu. Als er nur noch eine Armlänge von ihm entfernt war, drehte sich der Hund plötzlich um und rannte winselnd davon. Die Meute folgte ihm auf dem Fuß.
    Oskar blickte ihm noch eine Weile hinterher, dann kippte er vornüber in den Staub.
     

     
    Eliza stieß ein entsetztes Stöhnen aus. Ihre Augen waren halb geschlossen, sodass nur das Weiße sichtbar war. »Nein, nein. Geh fort … das darfst du nicht. Lass ihn in Ruhe … geh weg … fort mit dir!«
    »Was ist los?« Charlotte legte ihren Arm um sie. »Ist irgendetwas mit Humboldt? Kannst du Oskar sehen?«
    Eliza reagierte nicht. Sie wippte vor und zurück wie ein verstörtes Kind. »Alles … kommt … in … Ordnung«, murmelte sie, wobei ihre Stimme seltsam fremd klang. »Du wirst befreit werden.«
    »Befreit werden?« Charlotte war völlig verwirrt. »Von was?«
    »Alles wird gut, du wirst sehen.«
     

     
    Humboldt blieb stehen. Das Jaulen und Kläffen war einem furchtsamen Geheul gewichen. Die Tiere hatten Angst. Panische Angst. Eine Weile hielt das schreckliche Geräusch an, dann brach es ab. Humboldt sah einen nach dem anderen aus dem Wald aus Affenbrotbäumen herausstürmen. Ihre Flucht glich einem ungeordneten Rückzug.
    Was immer es war, vor dem die Tiere flohen, es musste sich immer noch in dem Wald befinden. Humboldt überlegte, ob er es riskieren sollte nachzuschauen, entschied sich dann aber dagegen. Was immer es war, es war bestimmt im höchsten Grad gefährlich.
    Er war drauf und dran, wieder umzukehren, als ein Geräusch an sein Ohr drang. Ein Geräusch, mit dem er nicht im Entferntesten gerechnet hätte.
    Das Stöhnen eines Menschen.
    Er zog das Rapier aus seinem Stab. Das Sonnenlicht spiegelte sich auf der blank polierten Klinge. Vorsichtig betrat der Forscher den Wald. Die Bäume standen so dicht, dass er nur langsam vorankam. Sein Herz klopfte wild. Er musste damit rechnen, von einem einsamen Wildhund angefallen zu werden. Doch nichts geschah. Vollkommene Stille hüllte ihn ein. Nicht mal das Zirpen einer Grille oder das Zwitschern eines Vogels waren zu hören.
    Plötzlich sah er etwas am Boden liegen. Zuerst dachte er, es wäre ein totes Tier, doch dann erkannte er, dass es ein Mensch war. Ein übel zugerichteter Mensch.
    Humboldt hielt den Atem an. »Um Gottes willen«, flüsterte er, als er erkannte, wer es war.
    »Oskar.«

 
27
     
     
    Einen Ort wie diesen hatte Max noch niemals zuvor gesehen. Das Telegrafenamt von Dakar war ein winziges Haus, das so überfüllt war, dass man kaum Luft zum Atmen bekam. Die Menschen saßen auf Hockern und Kisten, auf dem Fußboden, auf Fensterbänken, nebeneinander, hintereinander und sogar übereinander und alle starrten sie in den Nebenraum, in dem der oberste Telegrafenmeister und seine beiden Angestellten ihrer Arbeit nachgingen. Kaum einer von den Besuchern schien

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