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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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wegen eines Telegramms hier zu sein, aber das Klicken der Maschinen und die wundersamen Botschaften, die aus den beiden metallisch glänzenden Kästen herauskamen, verströmten eine solche Anziehungskraft, dass selbst der oberste Dienstherr nicht in der Lage war, die Leute aus seinem Gebäude zu vertreiben. Also herrschte ein stillschweigendes Übereinkommen: Die Menschen durften zusehen, solange sie still waren, dafür ließen sie die Angestellten in Ruhe arbeiten.
    Pepper war zwischen zwei Personen eingezwängt, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten. Zu seiner Linken saß eine üppige dunkelhäutige Frau, die in ein buntes Gewand gehüllt war und Blätterteiggebäck aß, rechts ein kleiner alter Mann mit Turban und Spitzbart. Die Frau bot Max etwas von ihren Leckereien an, aber er lehnte dankend ab. Ihm war nicht nach Fettgebackenem zumute. Die Luft im Warteraum war zum Schneiden dick. Eine Atmosphäre angespannter Konzentration erfüllte den Raum. Durch die geöffnete Tür konnte man die beiden Telegrafenschreiber sehen. Klobige Maschinen mit Zahnrädern und blank polierten Messingknäufen. Einer der Mitarbeiter saß daran und tippte fleißig auf eine Taste. Der andere zog einen Papierstreifen aus der Maschine und übersetzte, was dort stand.
    Max blickte auf seine Uhr. Warum dauerte denn das so lange? Er hatte sich unter dem Vorwand, sein Notizpapier wäre auf der Überfahrt nass geworden, von Wilsons Truppe entfernt. Harry hatte ihn zur Straße der Papierhändler begleitet. Als sie sicher waren, dass keiner von Wilsons Leuten sie verfolgte, hatten sie die Richtung geändert und waren zum Telegrafenamt gelaufen. Besser, der Meteoritenjäger erfuhr nichts von ihrer kleinen Unternehmung. Zum Glück kümmerte sich niemand um die beiden Amerikaner. Die Truppe war damit beschäftigt, ihr Gepäck in den Zug zu laden, denn die Abfahrt des Dakar-Niger-Express war auf fünfzehn Uhr anberaumt. Das ließ ihnen gerade mal eine dreiviertel Stunde.
    Erneut schaute Max auf seine Taschenuhr. Jetzt saß er schon eine halbe Stunde in diesem überfüllten Warteraum.
    Max hatte an seinen Kollegen Malcolm Erneston von der London Times telegrafiert, mit der Bitte zu prüfen, ob es in jüngerer Zeit irgendwelche Vorfälle im Zusammenhang mit französischen und englischen Wissenschaftlern gegeben habe. Zugegeben, die Chancen standen schlecht, aber hier in Dakar bestand die letzte Möglichkeit, an Informationen zu gelangen. Wenn sie erst mal im Zug saßen, wären sie für Wochen von der Außenwelt abgeschnitten.
    Malcolm war ein guter Freund. Er und Max kannten sich schon seit ihrer Ausbildung und hatten einander schon oft Informationen zugeschustert. Allerdings sah Max hier eine Schwierigkeit. Malcolm war Engländer und seinem Land treu ergeben. Würde er tatsächlich Informationen preisgeben, die sein Land in Verruf bringen könnten?
    Plötzlich ratterte der Empfangsschreiber. Ein Papierstreifen schlängelte sich zwischen den dicken Gummiwalzen heraus. Der Telegrafenmeister sprang auf und eilte zu dem Gerät. Er las den ersten Abschnitt, dann nickte er in Peppers Richtung. »Monsieur, votre telegramme.«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Bewundernde Blicke richteten sich auf Max. Der alte Mann an seiner Seite schenkte ihm ein zahnloses Lächeln.
    Als er sicher war, dass die Nachricht vollständig war, riss der Telegrafenmeister den Streifen ab und ging damit zu seinem Übersetzer, einem jungen Mann mit Nickelbrille und eng sitzender Uniform. Dieser übersetzte den Strichcode in Worte und tippte dann die Nachricht auf ein sauberes Blatt Papier. Er faltete es, legte es in ein Kuvert und händigte es seinem Vorgesetzten aus. Max stand auf, beglich die Rechnung und nahm die Botschaft in Empfang, dann verließ er das Telegrafenamt.
    Boswell stand an einer Ecke unter einer Palme und rauchte eine seiner furchtbar stinkenden Zigarren.
    »Das hat ja gedauert.« Seine Miene wirkte vorwurfsvoll. »Wenn Wilson bisher noch nicht misstrauisch war, ist er es jetzt. War’s wenigstens schön da drin?«
    Max bedachte ihn mit einem gequälten Lächeln. »Wir haben eine Antwort, das ist die Hauptsache.« Er hielt das Kuvert in die Höhe.
    »Was steht drin?«
    Max riss den Umschlag mit seinem Fingernagel auf und zog das Papier heraus. »Hallo, Max«, las er vor. »Nachricht erhalten. Stop. Informationsbeschaffung schwierig. Stop. Angelegenheit ist topsecret. Stop. Französischer Astronom François Lacombe von Jabez Wilson im Duell getötet. Stop.

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