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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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zu sehen.
    »Unfassbar, wie sie die Verfolgung durchhalten«, sagte sie. »Denen muss die Hitze und die Trockenheit doch ebenso zu schaffen machen wie uns.«
    »Mehr noch, sie haben keine Maultiere.« Humboldt nickte grimmig. »Aber es sind keine Menschen, vergiss das nicht. Sie denken nicht wie wir, sie handeln nicht wie wir. Sie sind wie Automaten, die, einmal aufgezogen, stur ihren Weg verfolgen. Das Problem ist, dass die Rechnung sogar aufgehen könnte.«
    »Wie meinst du das?«
    »Seht euch doch mal um. Dieses Tal führt immer tiefer hinein in die Berge. Nicht mehr lange, dann wird es hier so steil, dass wir die Maultiere zurücklassen müssen. Dann bleibt uns nur noch zu klettern. Ein klarer Vorteil für unsere Feinde.«
    Wie recht er damit haben sollte, sahen sie, als sie eine Felsnadel umrundeten. Nur noch einige Hundert Meter, dann endete der Weg. Eine steile Felswand ragte vor ihnen auf. An dem dunklen Streifen auf dem Sandstein konnte man erkennen, wo einst das Wasser herabgeflossen war. Humboldt presste die Lippen aufeinander. »Genau wie ich befürchtet habe«, sagte er. »Verdammter Mist.«
    »Bestimmt gibt es einen Weg da hinauf.« Oskar lupfte seine Mütze. »Die Dogon leben dort oben, die müssen ja auch irgendwie hinaufgelangen.«
    Humboldt schüttelte den Kopf. »Die Steilwände sind zu glatt, um hochzuklettern, und Leitern oder Treppen sehe ich auch keine.« In seinem Gesicht lag der Ausdruck grimmiger Entschlossenheit. »Lasst uns weiterreiten. Hoffen wir, dass uns bis zum Ende der Schlucht etwas einfällt.«
    Er schnalzte mit der Zunge und lenkte sein Muli über das ausgetrocknete Flussbett hinauf zum Wasserfall.
    Das letzte Stück war besonders schwierig. Die Brocken wurden so groß, dass sie absteigen und die Tiere hinter sich herziehen mussten. Die Felswände rückten so eng zusammen, dass ihr Schatten auf sie fiel.
    Meter um Meter stiegen sie empor. Nach etwa zehn Minuten hatten sie das Ende des Tals erreicht. Von drei Seiten umschlossen, saßen sie wie in einer Falle.
    »Endstation«, murmelte Humboldt.
    »Da sind unsere Verfolger.« Eliza deutete talabwärts. Hinter den Felsbrocken waren die Missionare zu sehen, die langsam, aber unerbittlich näher kamen. Sie sprachen nicht, sie lachten nicht, sie gingen einfach. Wie Maschinen durchquerten sie Rinnen, erklommen Felsen und umrundeten Büsche. Ihre Gesichter waren bleich und ernst. In ihren Augen leuchtete grünes Feuer. Allen voran ging der Prior, der mit seiner hageren, ausgemergelten Gestalt wie eine Vogelscheuche wirkte. Seine klauenartigen Finger hielten einen Stab umklammert.
    Humboldt zog die Klinge aus seinem Spazierstock. Es war die einzige Waffe, die ihnen geblieben war. »Stellt euch hinter mich. Kampflos werden wir uns nicht ergeben.«
    Charlotte sah mit Schrecken, wie die Missionare näher und näher kamen. Es war unheimlich, wie emotionslos diese Leute waren. Sie schienen weder wütend zu sein, noch zeigten sie irgendein Anzeichen von Müdigkeit oder Ermattung. Trotz der Hitze war nicht der kleinste Schweißtropfen zu erkennen. Es waren Automaten, seelenlose Kreaturen, die vor nichts und niemandem haltmachten.
    Schon hatten sie den letzten Anstieg erreicht.
    Nur noch wenige Meter.
    Charlotte griff nach einem Stein, als plötzlich von oben eine Strickleiter herabgeflogen kam. Sie war aus grobem Sisal geflochten und mindestens zwanzig Meter lang. Humboldt blickte nach oben. Es war nicht zu erkennen, wer sie geworfen hatte. »Schnell!«, rief er. »Rauf mit euch! Die Frauen zuerst.«
    Eliza reagierte sofort. Sie ergriff die Leiter und kletterte im Eiltempo hoch, dicht gefolgt von Charlotte und Oskar. Dann kam Humboldt. Er steckte sein Rapier zurück in den Gehstock, dann packte er die Seilkonstruktion und schwang sich empor. Keinen Augenblick zu früh. Die Missionare schienen zu ahnen, dass ihnen ihre Beute entkam, und verdoppelten ihre Anstrengungen. Sie krabbelten und kraxelten wie verrückt. Dumpfes Stöhnen drang aus ihren Kehlen. Das Geräusch hatte nichts Menschliches. Nur noch wenige Meter, dann hatten sie das Ende der Leiter erreicht. Schon zogen sich die Ersten daran empor. Die Leiter war oben an einem Felsvorsprung festgebunden. Humboldt zögerte nicht lange und hieb die Seile durch. Stumm wie Fische fielen die Missionare in die Tiefe, wo sie reglos liegen blieben. Der Rest starrte ausdruckslos nach oben. Das grüne Feuer in ihren Augen verhieß nichts Gutes.
    Charlotte atmete tief durch. »Das war knapp«, keuchte sie.

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