Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
klebte an seinem Körper und unter seiner Mütze herrschte eine schier unerträgliche Hitze. Er nahm sie ab und schüttelte seine Haare in dem angenehm kühlenden Wind, der von Nordosten heranwehte.
    Vor ihnen lag die Stadt der Dogon. Dutzende von Lehmbauten ragten in die Höhe oder schmiegten sich an die umliegenden Felsen. Einige von ihnen besaßen flache Dächer, die meisten waren jedoch mit spitzen Strohdächern gedeckt, die wie lustige Zipfelmützen in die Luft ragten. Bäume beschatteten kleine Gärten und Felder, auf denen Hirse und andere Getreidesorten angebaut wurden. Ziegen und Hühner liefen dazwischen herum und wurden von jungen Männern mit langen Stecken gehütet. Vor den Häusern saßen Frauen bei der Arbeit, während ihre Kinder lachend und johlend durch die Gassen rannten.
    Es dauerte nicht lange, da wurden die Neuankömmlinge bemerkt. Ein Ruf ertönte, dann noch einer, dann verbreitete sich die Nachricht wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Im Nu waren die Frauen und Kinder verschwunden.
    Aus dem Zentrum kamen ihnen einige bewaffnete Männer entgegen. Angeführt wurden sie von einem gebeugten alten Mann mit grauem Bart. Er war in braune Tücher gekleidet und trug eine spitze Kappe auf dem Kopf. In seiner Hand hielt er einen knorrigen Stab aus schwarzem Holz. Zu seiner Rechten ging ein großer Mann mit breiten Schultern und kräftigen Muskeln. Er trug einen Speer und an seinem Gürtel hingen Messer und Sicheln. Als er Yatimè sah, blieb er wie angewurzelt stehen. Er rief ihr etwas zu und gestikulierte dabei heftig mit der Hand. Ein unmissverständliches Zeichen, dass sie sofort zu ihm kommen solle. Yatimè verließ die Abenteurer und folgte dem Befehl. Ein kurzer, aber heftiger Wortwechsel entspann sich, in dessen Verlauf sie immer wieder den Kopf schüttelte. Als er sie am Arm zu packen versuchte, trat sie einen Schritt zurück.
    »Scheint, als wäre sie seine Tochter«, flüsterte Charlotte.
    Oskar strich über seinen Arm. »Das Gefühl habe ich auch, so, wie er mit ihr umspringt.«
    »Sie scheint sich aber nichts sagen zu lassen.«
    »Tapferes Mädchen«, entgegnete Oskar, der allerdings bezweifelte, dass sie den Kampf gewinnen würde.
    Der Mann wurde immer wütender. Als er irgendwann damit drohte, sie zu schlagen, hob der Alte seinen Stab. »Bryma!«
    Der muskulöse Mann zögerte einen Moment, dann ließ er die Hand sinken. Das Mädchen stand immer noch da, den Kopf gesenkt und die Hände zu Fäusten geballt. Sie schien mit den Tränen zu ringen. Der Alte legte ihr den Arm über die Schultern, dann wandte er sich den Neuankömmlingen zu. Wortlos ging er von einem zum andern, dann blieb er vor Humboldt stehen. Er war einen guten Kopf kleiner als der Forscher, doch seiner Autorität tat das keinen Abbruch. Er gab Humboldt mit Gesten zu verstehen, er solle seinen Mund öffnen und seine Zunge herausstrecken. Humboldt leistete dem Wunsch Folge, obwohl ihm anzusehen war, dass er ihn äußerst merkwürdig fand. Der Alte nickte zufrieden, dann ging er zu Eliza und ließ sich auch von ihr die Zunge zeigen. Anschließend waren Charlotte und Oskar an der Reihe. Als er alle eingehend untersucht hatte, wechselte er ein paar Worte mit Yatimè. Seine Stimme klang trocken und brüchig und erinnerte an das Rascheln von Laub. Yatimè erklärte ihm, was geschehen war. Immer wieder deutete sie nach unten und machte Gesten, die an die mechanischen Bewegungen der Mönche erinnerten. Irgendwann hatte der Alte genug gehört. Er drehte sich um und gab den Reisenden zu verstehen, dass sie ihm folgen sollten.
    »Offensichtlich haben wir die erste Hürde gemeistert«, flüsterte Humboldt. »Mal sehen, was jetzt noch kommt.«
    »Die scheinen nicht sonderlich begeistert von unserer Anwesenheit zu sein«, sagte Oskar.
    »Sind sie auch nicht«, sagte Humboldt. »In der Beziehung hatte der Prior völlig recht.«
    »Was sollte das mit der Zunge?«, fragte Charlotte. »Ich kam mir vor wie beim Arzt. Meinst du, er hatte Angst, dass wir eine ansteckende Krankheit einschleppen?«
    »Diese Menschen sind Fremden gegenüber sehr misstrauisch«, sagte Humboldt. »Sie haben Furcht vor uns.«
    »Vor uns?« Oskar verstand nicht. »Warum denn? Sehen wir so furchterregend aus?«
    »Es ist etwas anderes«, schaltete sich Eliza ein. »Ich kann es nicht genau erklären, aber ich glaube, sie haben uns erwartet. Und als ob unsere Ankunft düstere Schatten vorauswirft.«
    Rätselhafte Worte. Oskar blickte zu Yatimè hinüber. Das Mädchen trottete

Weitere Kostenlose Bücher