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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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erschrockene Laute aus. Einige der Frauen verbargen ihre Gesichter hinter den Händen. Ubirès Gesicht wirkte ernst.
    »Dann ist es also geschehen«, sagte er.
    »Was? Was ist geschehen?«
    »Wovor die Ahnen uns gewarnt haben. Der Sternendeuter hat recht behalten. Das Böse ist in die Ebene gelangt.«
    Charlotte schaute ihre Freunde an. Ratloses Schweigen breitete sich aus. Niemand schien zu wissen, was diese Worte zu bedeuten hatten. Nur eines war klar: Es war gewiss nichts Gutes.

 
39
     
     
    Der Alte war aufgestanden und ließ sich von dem jüngeren Mann seinen Stab reichen. »Kommt mit.«
    Alle erhoben sich. Das Dach der Toguna war ziemlich niedrig. Oskar musste den Kopf einziehen, um nicht anzustoßen. Die Dorfbevölkerung trat ein Stück zur Seite und Ubirè ging durch die Lücke und steuerte auf eine kleine Anhöhe zu.
    »Unser Volk ist alt«, sagte er. »Sehr alt. Ursprünglich stammen wir aus einem Land im Süden. Vor etwa fünfhundert Jahren mussten wir vor den Reiterheeren der Mossi fliehen und kamen in dieses Land. Die steilen Berge boten uns ausreichend Schutz. Damals waren die Tellem unsere Nachbarn.« Er deutete auf den gegenüberliegenden Tafelberg. »Auch sie stammten nicht von hier. Sie waren klein und kamen aus den Wüstengegenden im Norden. Ihre Anführer waren Astronomen. Männer, die sich mit der Erkundung und Deutung der Sterne befassten. Wir pflegten freundschaftliche Beziehungen mit ihnen. Irgendwann merkten wir, dass mit ihnen etwas nicht stimmte. Sie hatten Angst, furchtbare Angst. Spione erzählten uns, dass sie in ihrer Stadt etwas lagerten, das nicht von dieser Welt war. Ein Stein oder etwas Ähnliches.«
    Der Alte schlug einen Weg ein, der zum Hügel hinaufführte. Er war steil und mit handgeschlagenen Steinplatten gepflastert.
    »Die Tellem mochten nicht, wenn man sie darauf ansprach. Sie fürchteten sich vor ihm. Der Sage nach hatte der Stein aus ihrer einst so fruchtbaren und blühenden Heimat eine öde Wüste gemacht. Also hatten sie ihn mitgenommen, um ihn hier oben auf dem unerreichbaren Plateau vor den Augen der Welt zu verbergen. Sie bauten ihm eine Gruft, wo er, geschützt von Licht und Regen, ein Dasein als Gefangener fristen sollte. Sie hatten ihm einen Namen gegeben: Der gläserne Fluch. Meine Vorfahren verstanden nicht, warum die Tellem von ihm immer wie von einem lebenden Wesen sprachen. Doch mit der Zeit kamen sie hinter das Geheimnis. Der Stein besaß die Gabe, Menschen und Tiere in seine Gewalt zu bringen. Alles, was ihn berührte, wurde zu einem Stein ohne Seele. Äußerlich kaum von echtem Leben zu unterscheiden, innerlich jedoch kalt und vertrocknet. Ganze Welten soll er schon befallen haben. Zum Beispiel unseren roten Nachbarplaneten.«
    »Den Mars?«
    »Wir nennen ihn Aru, das rote Haupt. Auch er war einst grün und blühend, bis er von dem Fluch befallen wurde.«
    »Wie konnte der Stein von dort zur Erde gelangen? Dazu hätte er doch den Weltraum durchqueren müssen.«
    »Der Astronom der Tellem erklärte unserem Anführer, dass der Kristall ursprünglich aus noch weiterer Ferne gekommen sei. Er stamme von einem kleinen Stern, der einen großen Stern umkreist, tief in den Weiten des Raumes. Sigi Tolo und Po Tolo nannte er die beiden, wobei der kleinere den größeren in einem Zeitraum von fünfzig Jahren umkreise. Der größere ist leicht zu finden. Es ist der hellste Stern am Firmament.«
    »Sirius Alpha und Beta«, sagte Humboldt mit wissendem Blick. »Von daher ist er also gekommen. Ziemlich weiter Weg für einen Stein.«
    »Kein Stein.« Ubirè schüttelte den Kopf. »Der oberste Astronom erklärte unserem Anführer, es handle sich um eine Art Samenkorn. Ein lebendes, atmendes Geschöpf, das in der Lage sei, gewaltige Entfernungen zu überbrücken, nur mithilfe seines Willens und seines unerschöpflichen Hungers. Findet es die richtigen Bedingungen, so wächst aus ihm eine Pflanze, die neue Samen hervorbringt. Es kann ganze Welten vernichten. Deshalb ist es so wichtig, es in völliger Abgeschiedenheit und Isolation zu halten und ihm Nahrung und Wasser zu verweigern.«
    Humboldt nickte. »Verständlich, dass die Tellem den Stein an diesen abgelegenen Ort brachten. Die Gefahr, dass er von jemand anders gefunden wurde, war einfach zu groß.«
    Ubirè nickte. »Dann begannen die Tellem sich zu verändern: Sie liefen in die Irre, sie kannten uns nicht mehr, sie sangen nachts den Mond an. Genau wie dein Junge beschrieben hat. Am deutlichsten waren ihre Augen. Sie

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