Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch
diesen Berg einzunehmen. Konnten Sie die Männer erkennen?«
Der Alte nickte. »Es waren Weiße. Angeführt wurden sie von einem großen stämmigen Mann, der seine Haare zu einem Zopf geflochten trug, genau wie du. Er hatte den bösen Blick.«
»Den bösen Blick?«
»Sein Auge. Es war so kalt und schimmernd wie ein Brunnen bei Mondlicht.«
Humboldt stutzte und blickte den Alten fragend an. »Ein Auge aus Silber?«
Ubirè nickte.
»Was bedeutet das?« Charlotte wurde das Gefühl nicht los, dass Humboldt wusste, von wem der Alte da sprach.
»Es gibt nur einen Mann, auf den diese Beschreibung zutrifft«, sagte der Forscher. »Wo ist er jetzt?«
»Sie haben sich auf der anderen Seite verschanzt. Es ist unmöglich, an ihnen vorbeizukommen.«
Humboldt nickte grimmig. »Ich muss mit ihm reden. Wenn ich mich nicht irre, dann haben wir es mit einem außerordentlich skrupellosen und gefährlichen Mann zu tun.«
»Ich glaube, da kommt jemand.«
Horace Bascombe nahm seine Pfeife aus dem Mund und griff nach dem Gewehr. Drüben, auf der anderen Seite, war eine Bewegung zu erkennen. Die Hitze brachte die Luft zum Flimmern, sodass man nur verschwommene Schemen erkennen konnte.
»He, wach auf!«
Melvyn Parker war unter einem benachbarten Feigenbaum eingenickt. Die vielen frischen Feigen und das monotone Zirpen der Grillen hatten ihn schläfrig werden lassen, doch als er die Stimme seines Freundes hörte, schoss er bolzengerade in die Höhe.
»Was?«
»Wir bekommen Besuch. Da drüben, auf der anderen Seite.«
»Kannst du erkennen, wie viele es sind?«
Bascombe kniff die Augen zusammen. Die Helligkeit stach ihm in die hintersten Hirnwindungen. Verdammte afrikanische Sonne. »Schwer zu sagen. Zwei, drei, vielleicht mehr.«
»Es sind zwei«, sagte Parker. »Ein großer und ein kleinerer. Sie sind schon auf der Brücke.« Mit einem Klicken entsicherte er seine Waffe. Bascombe tat es ihm gleich.
Der Platz, von dem aus sie die Felsenbrücke überwachten, war ideal gewählt. Leicht erhöht und unter den schattigen Zweigen des Feigenbaums gelegen, bot er ideale Voraussetzungen. Nicht mal ein Kaninchen wäre ungesehen an ihnen vorbeigekommen.
»Seltsam«, sagte Parker, nachdem die Fremden ein Stück näher gekommen waren. »Die sehen nicht aus wie Afrikaner.«
Bascombe musste seinem Freund in Gedanken recht geben. Hätte er es nicht besser gewusst, er hätte vermutet, die beiden gehörten zu ihrem Trupp. Der eine hatte trotz der Hitze einen langen Mantel an und trug einen Gehstock. Der andere trug Hosenträger und eine Mütze auf dem Kopf. Beide hatten helle Haut. Der Kleine war eindeutig ein Junge. Vielleicht sechzehn, siebzehn Jahre alt. Sein rechter Arm steckte in einer Schlinge und seine Haut wirkte unnatürlich blass. Beide schienen unbewaffnet zu sein, hatten aber einen entschlossenen Ausdruck im Gesicht. Als sie nur noch fünf Meter entfernt waren, stand Bascombe auf. »Halt. Keinen Schritt weiter. Wer seid ihr und was wollt ihr hier?«
46
Max Pepper blickte ehrfürchtig auf die alte Stadt. Die Häuser sahen aus, als hätten hier bis vor Kurzem noch Menschen gelebt. In den Wohnräumen standen Tische und Stühle, die Schlafzimmer waren mit Strohmatten ausgelegt. Irdene Töpfe, Krüge und Teller standen in den Regalen, ganz zu schweigen von den ganzen Waffen, dem Schmuck und den Spielzeugen. Es war, als hätten sich die Bewohner einfach in Luft aufgelöst.
Das beeindruckendste Gebäude war der zentrale Tempel im Herzen der Stadt. Weder Max noch Harry hatten je so ein Bauwerk gesehen. Seltsamerweise passte es nicht zum Baustil der anderen Häuser. Es sah so aus, als wäre es von einer anderen Kultur erbaut worden, von anderen Menschen. Ein Umstand, der Sir Wilson nicht zu wundern schien.
In Max begannen wieder die alten Zweifel zu nagen. Hatte Wilson ihnen wirklich alles erzählt, was es zu wissen gab? War er rundum ehrlich zu ihnen? Und warum diese Härte gegenüber den Dogon? Gewiss, er war ehrgeizig und skrupellos, aber bestimmt hätte sich das Problem mit ein paar Geschenken aus der Welt räumen lassen.
Harry hatte seit diesem Vorfall kaum noch ein Wort mit Max gesprochen. Er mied seine Nähe und trieb sich lieber allein herum. Das Schweigen, das zwischen ihnen herrschte, bedrückte Max. Sie waren seit Jahren befreundet, aber einen solchen Streit hatten sie noch nie gehabt.
Er wollte sich gerade aufmachen, um ihn zu suchen, als er Jonathan Archer auf sich zukommen sah.
»He, Max, kommen
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