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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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gezielt. Wäre nicht im letzten Moment von irgendwoher der rettende Schuss gefallen, ich würde jetzt mit zerschmettertem Schädel im Sand liegen. Aber Wilsons Männer waren auf dem Posten. Einer von ihnen hat gesehen, in welcher Lage ich mich befand, und hat reagiert. Möge Gott seine ruhige Hand segnen.«
    »Dass du in solchen Momenten von Gott redest, grenzt schon fast an Blasphemie.«
    Max hatte jetzt endgültig genug. Immerhin hatte Wilson ihm auf dem Dach des Zuges das Leben gerettet. Er fühlte sich ihm verpflichtet. »Wenn du nur schlecht über Wilson und seine Männer reden kannst, dann tu das, wenn ich nicht da bin. Es könnte nämlich sonst leicht passieren, dass ich mich vergesse.« Mit diesen Worten drehte er sich um und ließ seinen Freund stehen.

 
45
     
     
    Es war später Vormittag, als die Abenteurer in Begleitung von Yatimè am Tafelberg eintrafen. Obwohl sie entschieden hatten, die Nacht bei der Pachacútec zu verbringen, hatte keiner von ihnen wirklich gut geschlafen. Die Sorge um das, was sie bei der Stadt der Dogon vorfinden würden, hatte sie lange wach gehalten.
    Schon von fern konnte Charlotte erkennen, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste. Rauch hing über dem Berg. Die Barrikade, die die Dogon zum Schutz gegen die Außenwelt errichtet hatten, war verschwunden. Zwei mächtige Ecksteine deuteten darauf hin, wo das Bollwerk einst gestanden hatte. Beim Näherkommen sahen sie, dass sie von Ruß geschwärzt und mit Gesteinssplittern übersät waren. Yatimè durchquerte die rauchenden Trümmer und stieß einen Schrei aus. Der Boden war von Fußabdrücken geradezu zerwühlt. Überall waren Blutflecken zu sehen. Zerbrochene Speere und Schilde lagen herum, achtlos zertrampelt von schweren Armeestiefeln, deren Profile im Staub deutliche Spuren hinterlassen hatten. Wer immer den Angriff geführt hatte, er war mit schrecklicher Härte vorgegangen.
    Humboldt stapfte schweigend durch das Schlachtfeld in Richtung Dorf. Seine Lippen waren schmal, seine Brauen zu einer unheilvollen Linie zusammengezogen. Mochte der Himmel wissen, was er gerade dachte.
    Noch ehe Charlotte die ersten Bewohner sah, konnte sie ihre Stimmen hören. Sie sangen. Ein vielstimmiger Totengesang, der erst leise, dann stetig lauter werdend über der Stadt schwebte. Ihm haftete etwas Unheilvolles an – als hätte man ein Leichentuch über der Stadt ausgebreitet.
    Ein Stöhnen erklang neben ihr. Es war Oskar. Er war bleich und kurzatmig.
    »Was ist los, geht es dir nicht gut?«
    »Ich … ich weiß es nicht«, sagte der Junge zwischen zusammengebissenen Zähnen. »Es hat angefangen, als ich den Gesang gehört habe. Irgendetwas mit den Tönen.«
    »Dein Arm?«
    Er nickte.
    Charlotte blickte hilfesuchend zu ihrem Onkel. Humboldt, Eliza und Yatimè waren schon ein ganzes Stück vorausgegangen. »Soll ich meinen Onkel holen?«, fragte sie. »Ich glaube, du benötigst dringend medizinische Behandlung.«
    Oskar versuchte, sie zu beschwichtigen. »Lass nur, es geht schon. Er hat jetzt Wichtigeres zu tun. Die Dogon brauchen ihn dringender. Sieh nur.«
    Im Schatten der Toguna standen zahlreiche Tragen mit Verwundeten. Frauen in schwarzen Gewändern und Kinder mit hängenden Köpfen standen daneben und reichten den Männern Wasser und etwas zu essen.
    »Ich könnte den Verband lösen und mal einen Blick darauf werfen«, sagte Charlotte, doch Oskar schüttelte den Kopf. »Auf die Minute kommt es jetzt auch nicht an«, sagte er. »Das hier ist wichtiger.«
    Charlotte war unschlüssig. Sie spürte, dass es ein Fehler war, doch ihr Onkel war gerade wirklich sehr beschäftigt. Er stand bei den Verletzten und sprach mit den Ältesten.
    »Na gut«, sagte sie. »Aber sobald das Erste überstanden ist, lässt du uns draufgucken, versprochen?«
    »Versprochen.«
    Eben kam Ubirè zu ihnen herüber. Müde und auf seinen Stab gestützt, humpelte er langsam auf sie zu. Sein Gesicht wirkte grau und eingefallen. Man konnte sehen, dass er geweint hatte.
    »Was ist hier geschehen?«, fragte Humboldt.
    »Ich habe es dir gesagt.« Der Alte blickte traurig auf die Verwundeten. »Sie kamen mit Feuer und Rauch. Aus ihren Mündern kam Donner, aus ihren Fingern sprühten Blitze. Unsere Krieger hatten ihnen nichts entgegenzusetzen.« Er verstummte.
    »Feuer und Rauch?« Oskar runzelte die Stirn.
    »Gewehre und Sprengladungen«, erwiderte der Forscher. »Klingt nach einem gut ausgerüsteten Einsatzkommando. Ich frage mich, wer Interesse daran haben könnte,

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