Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
Erdrutsch in Deutschland ausgelöst, aber die Neuigkeiten drangen nur tröpfchenweise zu ihnen durch. Nachrichtensperren hinderten die Zeitungen daran, alles zu berichten, was draußen auf den Straßen geschah, aber was sie hörten, machte wenig Hoffnung. Von Streiks war die Rede, von Demonstrationen und Plünderungen. Es hieß, es wäre eine Militärregierung gebildet worden, die den Unruhen Einhalt gebot und die aufgebrachten Arbeiter mit Gewalt zurück in die Fabriken zwang. Aber in die Villa des Forschers in Plötzensee drang nichts davon. Es hätten schöne ruhige Sommertage sein können, wäre da nicht die quälende Neugier gewesen.
    Sobald die Hausarbeit erledigt war, gingen Oskar und Charlotte hinaus an den See und verbrachten die lauen Juniabende mit Reden und Angeln. Hin und wieder biss sogar mal ein Fisch an und verschaffte ihnen so eine willkommene Abwechslung zu dem ewig trockenen Pökelfleisch, das nun so oft auf den Tisch kam.
    Humboldt ließ sich nur selten blicken. Unentwegt pendelte er zwischen Pfefferkorn, Laboratorium und Werkstatt hin und her und gab sich, wenn man ihn denn mal traf, sehr einsilbig. Die Geheimniskrämerei zerrte an Oskars Nerven. Seine Hoffnung auf einen Besuch in der geheimnisumwitterten Werkstatt im Wald hatte sich nicht erfüllt. Es war noch immer ein großes Mysterium, was Humboldt dort tat, und solange er nicht freiwillig mit der Sprache rausrückte, hieß es warten.
    Oskar nahm einen Mehlwurm aus der Dose und spießte ihn auf den Haken. Dann warf er die Leine aus und steckte die Angel in die dafür vorgesehene Halterung am grasigen Ufer. Lachsfarbene Wolken zogen über den Himmel und ein Schwarm Tauben strebte dem abendlichen Schlafplatz entgegen. Ein sanfter Wind wehte aus Westen und ließ die Bäume rauschen.
    Er legte sich ins Gras und verschränkte die Arme hinter den Kopf. »Ich hätte wirklich gedacht, nach dem Besuch bei Pfefferkorn würde er uns endlich die große Maschine zeigen, die er im Wald gebaut hat. Aber er ist noch verschlossener geworden.«
    Â»Ich glaube, die Situation draußen macht ihm zu schaffen«, sagte Charlotte und tastete nach seiner Hand. »Im Gegensatz zu uns ist er fast täglich in der Stadt. Von Dutzenden Toten ist die Rede und die Versorgungslage ist schlimmer denn je. Seit dieser Sache mit Stangelmeier ist er misstrauisch geworden. Hab noch ein bisschen Geduld, er wird uns schon irgendwann einweihen.«
    Â»Ich hasse diese Warterei«, sagte Oskar. »Darin war ich noch nie gut. Pech für dich, denn jetzt muss ich mir anderweitig die Zeit vertreiben.« Er grinste und wollte sie zu sich herüberziehen, doch Charlotte rollte sich lachend zur Seite.
    Â»Du solltest besser nach den Fischen schauen, sonst ist die Angel nämlich weg. So wie neulich, als du hinterherschwimmen musstest.«
    Â»Musst du mich daran erinnern?« Oskar robbte hinter ihr her, doch Charlotte war zu flink für ihn. Ein sanfter Stoß gegen seine Schulter ließ ihn ein Stück die Böschung hinunterkugeln. Im Nu rappelte er sich wieder auf und setzte ihr nach. Es gelang ihm, ihren Fuß zu packen und sie festzuhalten, und sie versuchte, sich kichernd und zappelnd zu wehren. Doch der Widerstand war nur halbherzig. Im Nu hatte er sie gepackt und beugte sich über sie. Ihre Wangen waren gerötet.
    Â»Untersteh dich«, flüsterte sie. »Ich verwandele dich in eine Kröte.«
    Â»Versuch’s doch«, sagte er. »Wenn ich eine Kröte bin, werde ich nachts in dein Bett gehopst kommen. Wirst schon sehen, was du davon hast.«
    Er senkte sein Gesicht zu ihr hinunter, als plötzlich ein Rascheln im Unterholz ertönte. Maus kam keuchend aus den Büschen gestürmt, völlig außer Atem, sein Gesicht glänzend vor Schweiß. Verdutzt blieb er stehen und starrte sie an.
    Â»Stör ick?«
    Charlotte richtete sich auf und strich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Keineswegs.«
    Ein breites Grinsen erschien auf Maus’ Gesicht. »Ihr sollt zum Haus kommen«, sagte er. »Humboldt will euch was sagen.«
    Oskar warf Charlotte einen bedeutungsvollen Blick zu.
    Â»Ist irgendwas passiert?«
    Â»Nee, in Jejenteil. Es is’ was anjeliefert worden. ’ne ziemlich jroße Kiste. Herr Humboldt hat auf den Absender jekiekt und dann jesagt, ick soll euch holen.«
    Â»Jetzt sofort?«
    Â»Jawoll.«
    Â»Na gut.« Oskar

Weitere Kostenlose Bücher