Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos
zuerst für sicheren Stand sorgen musste.
Er griff in den Kasten und entnahm das hochauflösende Zielfernrohr. Mit einem Schnappen lieà er es auf dem Rücken der Pistole einrasten. Dann entnahm er dem Kasten den Schalldämpfer und schraubte ihn vorne auf die Mündung. Als alles bereit war, presste er die Pistole gegen einen Baumstamm und warf einen prüfenden Blick durch das Fernrohr. Vorsichtig drehte er am Schärferegler. Die Sichtverhältnisse waren miserabel. Der feine Nieselregen tropfte von seinem Hut in den Kragen und floss dann seinen Rücken hinab.
Behringer presste die Lippen aufeinander. Wenn das mit dem Fernschuss nicht klappte, musste er Humboldt eben aus kurzer Distanz erledigen. Auch recht. Er war ohnehin kein Freund von Heimlichtuerei. Lieber mit offenem Visier kämpfen und den Gegner sehen lassen, wer ihn da zur Strecke gebracht hatte. Allerdings hätte das dem Wunsch seines Auftraggebers widersprochen, der ihn darauf gedrängt hatte, die Aktion aus dem Hinterhalt zu erledigen.
Er griff in seine Jackentasche und zündete sich einen Zigarillo an. Jetzt hieà es warten.
*Â *Â *
Oskar stellte seine Teetasse ab und blickte durch das Fenster. Durch das trübe Glas sah er die dicken Pfützen auf dem Hof. »Was für ein Mistwetter«, sagte er. »Da möchte man keinen Hund vor die Tür scheuchen.«
»Trotzdem muss ich gleich noch mal in die Stadt«, sagte Humboldt. »Pfefferkorn will wissen, wie die Reise verlaufen ist und ob das Stasisfeld funktioniert hat. Hat jemand Lust mitzukommen?« Er blickte in die Runde. »Niemand? Wie schade. Ich hätte mich über etwas Gesellschaft gefreut.« Er nippte an seiner Tasse.
Charlotte schüttelte ihren Kopf. »Ehrlich gesagt, ich verstehe dich nicht, Onkel. Bist du denn gar nicht besorgt? Du hast doch gehört, was Eliza gestern gesagt hat. Wie kannst du sie in so einer Situation allein lassen?«
»Redest du von der Prophezeiung?«
»Allerdings.«
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?«
»Bei ihr bleiben. Sie beschützen.«
»Wovor denn? Wir wissen ja gar nicht, was ihr angeblich zustoÃen soll. Wie sollen wir sie dann davor schützen? Wisst ihr, mit Prophezeiungen ist das so eine Sache. Entweder sie geschehen oder sie geschehen nicht. Wenn sie geschehen, dann sagen alle: âºEs war unausweichlich, nichts konnte es verhindern.â¹ Wenn sie nicht geschehen, heiÃt es: âºWir haben die Zeichen nicht richtig gedeutet.â¹ Was ich also tue, es würde ja doch nichts ändern. Dann kann ich genauso gut machen, was ich ohnehin vorhatte.«
»Du glaubst nicht daran, sag das doch gleich.«
»Stimmt. Und das bringt mich zum dritten Punkt, warum ich mit Prophezeiungen so meine Probleme habe: Die, die nicht daran glauben, sind automatisch die Bösen.« Er setzte seine Tasse ab und schwieg. Oskar schwieg ebenfalls. Alle schwiegen. Was gab es da noch zu sagen?
Eliza klapperte in der Küche und lieà sich nicht blicken. Dabei war sie diejenige, die die Sache ins Rollen gebracht hatte. Oskar fand, dass es Tage gab, an denen sich auch Erwachsene ziemlich kindisch benahmen.
Als Humboldt fertig gefrühstückt hatte, wischte er mit der Serviette über seinen Mund und stand auf.
»Bert, machst du mir Pegasus fertig?«
»Natürlich, Herr von Humboldt. Aufgezäumt und startklar in einer Viertelstunde.«
»Gut. Und ihr anderen: Die Geschichte von Ephesos. Bis ich zurück bin, sitzt der Stoff. Ihr dürft mein Kartenmaterial benutzen, aber seid vorsichtig damit. Ich verlange von jedem, dass er bis zu meiner Rückkehr ein Experte auf diesem Gebiet ist. Es gibt mündliche Noten dafür, also strengt euch an.«
Allgemeines Stöhnen erklang am Tisch.
»Musst du wirklich gehen?« Eliza stand in der Tür und sah den Forscher mit traurigen Augen an. »Wir könnten uns doch heute mal einen freien Tag nehmen und nur das tun, worauf wir Lust haben. Lesen, uns verkleiden, Theater oder Karten spielen. Das Wetter ist so schrecklich. Wie wärâs? Ich könnte euch ein paar Spiele aus meiner Heimat zeigen.«
»O ja, gerne«, rief Lena. »Bitte, Herr Humboldt, dürfen wir?«
»Kommt nicht infrage. Wo denkt ihr hin? Eliza, was soll das? Heute ist ein Tag wie jeder andere. Wir haben eine Menge Arbeit vor uns, wer soll die denn erledigen?«
»Nur ausnahmsweise«, sagte sie. »Ab morgen
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