Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos

Titel: Chroniken der Weltensucher – Das Gesetz des Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
Vom Netzwerk:
auf seine Armbanduhr. Kurz vor zwölf. Höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen. Wenn nur das Wetter besser wäre.
    Draußen vor der Tür tobte ein kapitaler Sturm. Der Blick auf sein Barometer vor wenigen Stunden hatte ihm offenbart, dass schlechtes Wetter im Anmarsch war, aber dass es so schlimm werden würde, damit hatte er nicht gerechnet. Sollte er den Schirm nehmen? Der heulende Wind würde ihm den gleich aus der Hand reißen. Am besten den langen Mantel und einen breitkrempigen Hut. Und die Induktionslampe nicht vergessen, es war kohlrabenschwarz da draußen.
    Er warf einen letzten missmutigen Blick hinauf in den blitzdurchzuckten Himmel, dann marschierte er los. Auf halbem Weg über den Hof machte er eine kurze Pause. Die Tür des Pferdestalls war aufgesprungen und klapperte im Wind. Die Tiere sahen ihn mit großen Augen an, als er sie wieder schloss und den Riegel davorlegte.
    Jetzt aber los. Oskar würde sicher glauben, er hätte ihn vergessen.
    Das Licht der Lampe ließ den Regen wie Meteoritenschauer an ihm vorbeizischen. Der Wind zerrte an seinem Mantel und fegte in Böen über den Boden. Den Kragen hochgeschlagen, den Hut tief ins Gesicht gezogen, stapfte er durch die Finsternis. Ein Blitz tauchte den Wald in blendendes Licht. Dumpfer Donner rollte über den Himmel. Zum Glück waren die Bäume an manchen Stellen markiert, sonst hätte er vielleicht Schwierigkeiten gehabt, den Weg zu finden. Wieder zuckte ein Blitz auf. Der Donner folgte diesmal in kürzerem Abstand, ein klares Indiz dafür, dass das Gewitter näher kam. Er wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Vermutlich würde er Oskar überreden zu warten, bis das Gewitter vorbeigezogen war. Bei der Geschwindigkeit, mit der es heranzog, konnte es nicht allzu lange dauern. In einer halben Stunde war sicher schon wieder alles vorbei.
    Wieder zuckten Lichter auf. Diesmal nicht von einem einzigen, sondern von einer ganzen Kaskade von Blitzen. Himmel, was für ein Spektakel. Humboldt zog den Kopf ein. Er hatte Geschichten über Kühe gehört, die unter einem Baum von einem Blitz überrascht worden waren und dann stocksteif dagelegen hatten. Einfach auf die Seite gekippt, die Beine wie Stöcke in die Luft gestreckt. Er hatte nicht vor, so zu enden.
    Besser, er bekam möglichst schnell ein Dach über den Kopf.
    Er lief noch ein paar Schritte, dann blieb er plötzlich stehen. Wo blieb denn der Donner? Das Licht war so hell gewesen, dass er geglaubt hatte, es müsse ganz in seiner Nähe eingeschlagen haben.
    Er lupfte die Krempe seines Hutes und spähte in Richtung der Waldhütte. Eine weitere Kaskade beleuchtete den Wald. Der Umriss der Werkstatt brannte sich ihm in die Netzhaut. Humboldt hielt den Atem an, als ihm klar wurde, was er da sah. Die Lichtstrahlen drangen aus den Fugen zwischen den Balken und dem oberen Giebelfenster. Das Licht kam aus dem Inneren der Hütte. Jetzt hörte er auch das Warnsignal. Nur wegen des Sturms hatte er es nicht eher gehört.
    ALARM, ALARM.
    Humboldt rannte los. Der Wind blies ihm frontal entgegen, so als wolle er verhindern, dass er rechtzeitig eintraf. Mühsam kämpfte er sich voran, stemmte seine Beine in den matschigen Boden. Es schien eine halbe Ewigkeit zu dauern, bis er die Hütte erreichte.
    Keuchend und schnaufend drückte er gegen die Tür. Abgeschlossen. Das Leuchten und die Alarmsignale im Inneren hatten aufgehört. »Oskar? Alles in Ordnung mit dir? Öffne die Tür. Ich bin’s, Vater.«
    Keine Antwort.
    Durch die Ritzen drang nur noch das schwache Glimmen der Gaslaterne. Humboldt schlug mit der Faust gegen das Holz.
    Â»Oskar, mach auf. Ich bin da, um dich abzulösen.«
    Sehnsüchtig blickte er auf das Türschloss. Ein neuartiges Sicherheitsschloss, das allen Versuchen, es zu knacken, widerstand. Wenn er doch nur einen Schlüssel hätte. Aus Sicherheitsgründen gab es nur einen einzigen Schlüssel und den trug immer derjenige, der gerade in der Werkstatt war.
    Plötzlich wehte ihm ein Geruch in die Nase. Irrte er sich oder roch es da nach elektrischen Entladungen? Seine Sorge steigerte sich ins Unermessliche.
    Â»Mach auf, Oskar«, rief er. »Ich weiß, dass du da drinnen bist. Ich zähle bis drei, dann trete ich die Tür ein. Eins, zwei, drei.«
    Als nichts geschah, legte er Mantel und Hut ab und ließ seinen Worten Taten folgen. Das war leichter gesagt als getan. Aus

Weitere Kostenlose Bücher