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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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frische Brise wehte von Westen heran. In der Luft lag der Geruch von Kiefernharz, vom fernen Ozean und, ganz schwach und bitter, der Gestank der Papiermühle. Tom stand für einen Moment still da, nahm dies alles in sich auf und wollte sie nicht stören.
    Er war gespannt, wie die Schlagzeilen lauteten. Dies war nicht genau die Gegenwart und auch nicht ganz die Zukunft.
    Er war auf einem ziemlich verschlungenen Weg hierhergekommen, auf einer Straße, die zu kompliziert war, um Linearität zu vermitteln. Vielleicht wurde gerade ein neues Land okkupiert, oder irgendein Öltanker war auseinandergebrochen.
    Sie sah von der Titelseite hoch und bemerkte, dass er sie beobachtete. Er ging über den Rasen auf sie zu.
    Sie war ein Anachronismus mit ihrer bunten Brille und dem glatten Haar, und sie war schön im Schatten dieser hohen Bäume.
    Ehe er einen Satz formulieren konnte, sagte sie: »Es tut mir leid, wie ich mich benommen habe. Ich war müde, und ich war verzweifelt wegen Lawrence, und ich wusste nicht, inwieweit du in die Sache verwickelt warst. Ben hat mir alles erklärt. Und vielen Dank, dass du mich hierher mitgenommen hast.«
    »Leider nicht so weit außer Gefahr, wie ich es gehofft hatte.«
    »Aber weit genug. Ich mache mir keine Sorgen. Wie geht es deiner Schulter?«
    »Eigentlich ganz gut. Sind die Nachrichten interessant?«
    »Ich rede mir ein, dass dies alles real ist. Ich habe auch ein wenig ferngesehen. Diesen Nachrichtensender über Satellit, wie heißt er noch? CNN.« Sie faltete die Zeitung zusammen und stand auf. »Tom, können wir irgendwohin gehen? Der Wald ist so schön. Doug sagte, es gebe dort viele Wege.«
    »Ist es klug, das Haus zu verlassen?«
    »Ben sagte, es wäre in Ordnung.«
    »Ich kenne ein schönes Plätzchen«, sagte Tom.
    Er ging mit ihr den Weg, den Doug Archer ihm vor einigen Monaten gezeigt hatte, vorbei an dem mit Moos bewachsenen Holzschuppen. Dessen Tür stand offen, und eine regelrechte Mückenwolke tanzte im Innern. Dann den Berghang hinauf bis in die offenen, felsigen Bastionen, wo das Land steil zum Meer abfiel.
    Das Meer bildete den Horizont hinter Belltower und dem Qualm der Papiermühle. In der Stille des Nachmittags hörte Tom das Getschilpe von Spatzen, während sie über ihnen ihre Kreise zogen, und das Rattern eines Trucks auf dem Highway.
    Joyce ließ sich auf einem Felsvorsprung nieder, zog die Beine an und schlang die Arme darum. »Hier oben ist es schön.«
    Er nickte. »Weit weg von den Nachrichten.« Weit weg von 1962. Weit weg von New York City. »Wie gefällt dir die Zukunft?«
    Die Frage war nicht so beiläufig, wie sie klang. Sie antwortete langsam, nachdenklich. »Nicht so aufregend, wie ich erwartet habe. Hässlicher, als ich dachte. Ärmer. Bösartiger. Kurzsichtiger, selbstsüchtiger und verzweifelter.«
    Tom nickte.
    Sie blickte stirnrunzelnd in die Sonne. »Viel vertrauter, als ich es mir ausgemalt hatte.«
    »Das ist es wohl«, sagte Tom.
    »Es sieht gar nicht so schlimm aus.«
    »Nein?«
    Sie schüttelte heftig den Kopf. »Ich habe mit Ben darüber geredet. Die Dinge verändern sich. Er sagt, tolle Dinge passieren in Europa. Die nächsten beiden Jahrzehnte würden ziemlich wild.«
    Tom bezweifelte das. Er hatte sich in diesem Frühling im Fernsehen die Ereignisse auf dem Tiananmenplatz angesehen. Riesige Panzer. Zerbrechliche Menschen.
    »Alles ändert sich«, beharrte Joyce. »Die Politik, die Umwelt ... das Klima. Er sagt, wir leben zufälligerweise auf dem einzigen Kontinent, wo Selbstzufriedenheit immer noch möglich ist, aber nur noch für eine kleine Weile. Das ist unser Unglück.«
    »Das ist es wohl. Was hat er dir gesagt? Dass die Zukunft eine Art Paradies ist?«
    »Nein, nein. Die Probleme sind riesig, beängstigend.« Sie schaute hoch, strich sich die Haare aus den Augen. »Der Mann, der Lawrence getötet hat, gehört ebenfalls zur Zukunft. All die schrecklichen Dinge. Wehrdienst und Hunger und alberne kleine Kriege.«
    »Ist es das, womit wir rechnen müssen?«
    »Schon möglich. Aber nicht unbedingt. Ben kommt aus einer Zeit, die auf all das herabblickt und es als eine Form von Wahnsinn betrachtet. Aber der Punkt ist der, Tom, dass es die Zukunft ist – es ist noch nicht passiert, und vielleicht muss es das auch nicht, zumindest nicht auf diese Weise.«
    »Das ist nicht logisch, Joyce. Der Eindringling ist von irgendwoher gekommen. Wir können uns nicht einfach wünschen, dass er nicht mehr existiert.«
    »Er ist eine Tatsache«, gab

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