Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
Vom Netzwerk:
Sie wog etwa ein Pfund, war aus rotem und schwarzem Polystyrolplastik hergestellt, und auf der Seitenfläche stand die Inschrift SPACE SOLDIER.
    Er betrachtete die Waffe, dann schaute er Archer an.
    »Wir mussten sie aus irgendetwas herstellen«, sagte Archer. »Ich hab ein paar von den Dingern im K-mart in der Pinetree Mall mitgenommen. Die Maschinenkäfer haben sie ein wenig umgebaut.«
    Der Abzugsbügel schien aus Stahl zu bestehen, und auf der Laufmündung steckte eine gläserne Verlängerung, die fein geformt war und nicht zur restlichen Waffe passte. »Wollen Sie mir weismachen, dass sie funktioniert?«
    »Sie gibt einen gebündelten Impuls ab, der möglicherweise die Rüstung unseres Freundes ein wenig bremst, vielleicht aber auch nicht. Benutzen Sie sie, aber verlassen Sie sich nicht darauf. Wir alle haben eine.«
    »Mein Gott, Doug. SPACE SOLDIER?«
    Archer grinste. »Das sieht doch total cool aus, meinen Sie nicht?«
    Wieder oben im Haus, während die Sonne im Ozean versank, schaltete Catherine die Wohnzimmerbeleuchtung ein.
    Tom half Archer dabei, das Geschirr im Garten einzusammeln. Der Himmel zeigte ein tiefes abendliches Blau. Die Sterne waren herausgekommen, und die Grillen zirpten.
    Archer zögerte einen Moment in der sich abkühlenden Luft.
    »Alles wird völlig anders sein, wenn das hier vorbei ist«, sagte er. »Plötzlich sind wir nicht mehr im Spiel. Dann sind wir Zuschauer. Aber wir haben etwas Seltenes getan, nicht wahr, Tom? Wir haben einen langen Ausflug in die Vergangenheit unternommen. Stellen Sie sich das mal vor. Ich stand in diesen Straßen von 1962, mein Gott. Damals war ich ein kleiner Junge in der Pine-Balm-Pre-School! Hey, Tom, wissen Sie, was wir taten? Wir gingen einfach zu Vater Zeit und traten dem armseligen Hurensohn mitten in seinen Familienschmuck.«
    Tom öffnete die Fliegentür und kehrte in die Wärme der Küche zurück. »Hoffen wir nur, dass er sich nicht auf gleiche Weise revanchiert.«
    Archer und Catherine teilten sich eine Matratze im Gästezimmer. Ben verbrachte die Nacht im Keller – er schlief nur dort, falls er überhaupt ein Auge zumachte.
    Joyce hatte zwei Nächte auf dem Sofa im Wohnzimmer verbracht. Sie kam in dieser Nacht in Toms Bett – mit, wie er meinte, einer Mischung aus Dankbarkeit und Zweifel.
    Als er sich zu ihr umdrehte und sie ansah, wandte sie sich nicht ab.
    Es war eine warme Nacht im Sommer 1989. Der Himmel war über dem größten Teil des Kontinents wolkenlos, das Meer ruhig. Die Welt schien auf irgendetwas zu warten, dachte Tom. Auf nichts Bestimmtes, sondern auf Möglichkeiten, gleichermaßen unheilvolle wie auch heitere. Ihre Haut war weich, und sie erwiderte seinen Kuss mit einem Eifer, der sowohl eine Begrüßung wie auch ein Lebewohl sein konnte.
    Mitternacht verstrich in der Dunkelheit.
    Sie schliefen, als die Alarmsignale ertönten.

 
    18
    Amos Shank, einundachtzig Jahre alt, der von Pittsburgh hierhergezogen war, um seine Gedichte zu veröffentlichen, und der fünfzehn Jahre lang inmitten fleckigen Gipsputzes und sich ablösender Tapeten in diesem schäbigen Apartment gewohnt hatte, stand mitten in der Nacht aus seinem Bett auf, immer noch in Träume von Zeus und Napoleon eingesponnen, um seine Blase zu entleeren.
    Er ging zur Toilette, vorbei an seinem Schreibtisch, an Stapeln Papier, gespitzten Bleistiften, in Leder gebundenen Büchern und durch den Lichtkreis von zwei Sechzig-Watt-Stehlampen, die er ständig brennen ließ. Das Plätschern des Wassers in der Porzellanschüssel klang hohl und gespenstisch. Es war der Weckruf der Sterblichkeit. Seufzend zog Amos seine Boxershorts hoch und kehrte zum Bett zurück, das sich aus einem Sofa herausklappen ließ. Am Fenster blieb er stehen.
    Einmal hatte er draußen auf der Straße den Tod gesehen. Eine plötzliche Ahnung überfiel ihn, er würde, wenn er hinausschaute, die Erscheinung erneut sehen. Er hatte tatsächlich mehrere Nächte lang Wache gehalten – hatte sich völlig sinnlos um seinen Schlaf gebracht. Er fühlte sich hin und her gerissen: vergessen oder schauen.
    Er zog die Lamellen der Jalousie ein wenig auseinander und blickte hinaus auf die Straße.
    Sie war leer.
    Amos Shank zog den Schreibtischsessel ans Fenster und setzte sich.
    Je älter er wurde, desto mehr Knochen schienen aus seinem Körper herauszuragen. Alles war ungemütlich. Nirgendwo konnte man bequem sitzen. Er stieß pfeifend schale Nachtluft aus, legte den Kopf auf die Fensterbank, wo er mit den Händen ein

Weitere Kostenlose Bücher