Chronos
eine Hundertachtziggradwende und hinterließ Schleuderspuren auf dem Asphalt, wobei die Reifen aufschrien.
Während der Wagen sich drehte, erhaschte Tom einen Blick auf den Mann, der versucht hatte, ihn zu töten.
Wenn »Mann« überhaupt das passende Wort war.
Nicht menschlich, dachte Tom.
Oder, wenn menschlich, dann unter irgendeinem Apparat verborgen, unter einem schnauzenähnlichen Helm, einem alten Mantel, der seinen Rücken bedeckte und im Regen und im Schein einer Straßenlaterne ölig glänzte.
Seine Augen waren durch das Heckfenster des Wagens auf Tom gerichtet. Nichts war von dem Gesicht zu sehen, außer einem breiten, begeisterten Grinsen ... das einen Moment später verschwunden war, als Archer den Ford um eine Ecke lenkte.
Sie ließen den Wagen in einer einsamen Straße in der Nähe des Tompkins Square einfach stehen.
Der Himmel schien etwas heller zu sein. Der Regen hatte nachgelassen, aber in den Rinnsteinen sammelte sich das Wasser, und es tropfte auch vom Vordach über der Halle des Mietshauses herab, in dem sich der Tunnel befand.
Tom fasste sich an die Schulter, wo ein furchtbarer Schmerz aufbrandete. Ein Reflex oder ein Streifschuss aus der Waffe des Eindringlings hatte dort eine große Hautfläche verbrannt, auf der sich Blasen bildeten.
Die drei Personen standen für einen Moment ratlos in der Halle.
Tom sagte: »Als wir das letzte Mal hierherkamen, hielt irgendetwas sich im Tunnel auf ...«
»Ein Zeitgespenst«, sagte Archer. »Sie sind nicht richtig gefährlich. So hat man es mir erklärt.«
Tom bezweifelte das, ließ es aber auf sich beruhen. »Doug, was ist, wenn er hinter uns herkommt? Es gibt nichts, was ihn aufhalten könnte, oder doch?« Er legte einen Arm um Joyce, die völlig benommen und passiv an seiner Schulter lehnte.
»Er könnte es tun«, gab Archer zu. »Aber wir wissen jetzt, was wir zu erwarten haben. Er kann uns nicht mehr überrumpeln. Das Haus ist eine Festung. Bereite dich darauf vor, dass du es vielleicht nicht wiedererkennst.«
»Demnach ist es noch nicht vorbei«, mutmaßte Tom.
»Nein«, sagte Archer. »Es ist nicht vorbei.«
»Dann sollten wir uns beeilen.«
Tom führte sie in den Keller hinunter, kletterte über den Geröllhaufen und ging durch einen leeren Raum voraus in die Zukunft.
17
Er schlief zwölf Stunden lang in einem Bett, das er niemals als sein eigenes betrachtet hatte. Als er aufwachte, sah er eine fremde Frau, die auf ihn herabblickte.
Zumindest eine unbekannte Frau, dachte Tom – mit dem Wort »fremd« ging er in letzter Zeit etwas sparsamer um.
Sie saß in einem Sessel neben dem Bett und hatte ein Taschenbuch, offenbar einen Liebesroman, in der Hand. Sie legte das Buch aufgeschlagen auf ihre Knie. »Sie sind ja wach«, stellte sie fest.
Noch nicht ganz. »Kenne ich Sie?«
»Nein, noch nicht. Ich bin Ihre Nachbarin. Catherine Simmons. Ich wohne in dem großen Haus oben am Highway.«
Er ordnete seine Gedanken. »Mrs. Simmons, die ältere Frau. Sind Sie ihre Enkelin?«
»Richtig! Sie kannten Grandma Peggy?«
»Ich habe ihr ein- oder zweimal zugewunken. Hab ihr immer die Zeitung gebracht, als ich zwölf Jahre alt war.«
»Sie ist im Juni gestorben ... ich bin hierhergekommen, um mich um alles Notwendige zu kümmern.«
»Oh. Das tut mir leid.«
Er sah sich in dem Zimmer um. Das gleiche Zimmer, das gleiche Haus, nicht sehr verändert, zumindest nicht diese Ecke.
Er erinnerte sich nicht, wie er hierhergekommen war. Die Schulterwunde hatte nicht nur Schmerzen verursacht, sondern ihn völlig bewegungsunfähig gemacht, und er hatte die letzten fünfzig Meter des Tunnels mit geschlossenen Augen zurückgelegt, wobei Doug Archer ihn stützen musste.
Die Schulter fühlte sich jetzt besser an ... Er schaute nicht nach, ob die Blasen noch vorhanden waren, aber die Schmerzen waren verflogen.
Er konzentrierte sich auf Catherine Simmons. »Ich denke, dies sind nicht die Angelegenheiten, um die Sie sich kümmern wollten.«
»Doug und ich sind irgendwie hineingestolpert.«
»Ich vermute, das sind wir alle.« Er setzte sich auf. »Ist Joyce in der Nähe?«
»Ich glaube, sie sieht fern. Aber Sie müssen mit Ben reden, denke ich.«
Das dachte er auch. »Funktioniert der Fernseher?«
»Oh, Ben tat es sehr leid. Er sagt, die kybernetischen Helfer haben Ihnen einen Schrecken eingejagt, ohne Sie vorzuwarnen. Sie sahen sich einer Situation gegenüber, mit der Sie keine Erfahrung hatten. Sie haben es völlig falsch angefangen. Er hat
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