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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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tun. Ich erledige seine Arbeit nicht, und ich bin auch nicht für dich zuständig. Hinzu kommt, dass er nicht so leicht zufriedenzustellen ist. Um es drastisch auszudrücken, er würde dir nicht in den Hals pinkeln, wenn es in deinem Bauch brennt. Wenn ihr miteinander auskommt, prima, aber wenn nicht ... Worüber, zum Teufel, lachst du?«
    »In den Hals pinkeln, wenn's im Bauch brennt?«
    »Das wird hier so gesagt. Mein Gott, Tom, es sollte nicht lustig sein!«
    »Barbara hätte das sicherlich gefallen.«
    Barbara hätte es wochenlang immer wieder gesagt. Einmal, während eines Telefongesprächs, hatte Tony über das Wetter gesagt, es sei »so kalt wie die Titten eines Bronzeaffen«. Barbara hatte einen derartigen Lachanfall bekommen, dass sie Tom den Hörer geben musste. Tom hatte dann geduldig erklärt, sie habe gerade ihren Kaugummi verschluckt.
    Aber Tony fand das nicht sehr spaßig. Er wischte sich den Mund ab und warf seine Serviette auf den Tisch. »Wenn du diesen Job willst, dann solltest du etwas mehr an deine Zukunft denken und weniger an deine ausgeflippte Exfrau, klar?«
    Tom lief rot an. »Sie war nicht ...«
    »Nein! Erspar mir eine leidenschaftliche Verteidigung. Sie war es schließlich, die mit ihrem einundzwanzigjährigen Freund durchgebrannt ist. Sie verdient deine Loyalität nicht, und du bist ihr, verdammt noch mal, überhaupt nichts schuldig!«
    »Tony«, sagte Loreen. Ihre Stimme hatte einen flehenden Unterton. Bitte, nicht hier.
    Barry, der Fünfjährige, war aus dem Garten hereingekommen; er stand mit einer von Erdnussbutter verschmierten Hand in der Tür und betrachtete die Erwachsenen mit aufmerksamem, ernsthaften Interesse.
    Tom suchte verzweifelt nach einer Erwiderung – nach etwas Heftigem und Endgültigem – und musste zu seinem Schrecken feststellen, dass ihm überhaupt nichts einfiel.
    »Es ist eine neue Welt«, sagte Tony. »Gewöhn dich daran.«
    »Ich bringe den Nachtisch«, sagte Loreen.
    Nach dem Essen verschwand Tony, um Barry ins Bett zu bringen und ihm eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Tricia schlief bereits in ihrer Wiege, und Tom saß mit Loreen in der kühlen Küche. Er bot ihr seine Hilfe beim Geschirrspülen an, doch seine Schwägerin lehnte ab. »Ich lasse nur Wasser darüberlaufen und spüle später.« Daher saß er an dem großen Tisch mit der massiven Holzplatte zum Fleischhacken und blickte durch das Fenster auf das dunkle Wasser der Bucht, wo die Lichter der Vergnügungsboote auf den Wellen tanzten.
    Loreen trocknete ihre Hände an einem Geschirrtuch ab und ließ sich ihm gegenüber nieder. »So schlecht ist das Leben gar nicht«, sagte sie.
    Tom betrachtete sie lange. Es war jene Art von ehrlicher Feststellung, wie sie für Loreen typisch war, eingebettet in den trägen Ohio-Valley-Tonfall ihrer Jugend. Sie bezog sich auf ihr Leben hier; ihr Leben mit Tony: nicht so schlecht.
    »Ich habe niemals etwas anderes behauptet«, sagte Tom.
    »Nein. Aber ich spüre es. Ich weiß, was Barbara und du über uns dachtet.« Sie lächelte ihn an. »Du brauchst dich nicht zu schämen. Ich denke, wir können ruhig darüber reden. Das ist ganz in Ordnung.«
    »Ihr habt hier ein schönes Leben.«
    »Ja, das haben wir. Und Tony ist ein guter Mann.«
    »Das weiß ich, Loreen.«
    »Aber wir sind nichts Besonderes. Tony würde das niemals zugeben. Aber es ist eine Tatsache. Und ganz tief in seinem Innern weiß er das auch. Und vielleicht ist er deshalb manchmal ein wenig böse. Und vielleicht weiß auch ich es und bin darüber traurig, für eine kleine Weile. Aber dann überwinde ich es.«
    »Ihr seid nicht durchschnittlich. Ihr habt beide sehr viel Glück.«
    »Wir haben Glück, aber wir sind durchschnittlich, alltäglich. Tatsache ist, Tom, dass du und Barbara etwas Besonderes gewesen seid, und das ist schlimm. Es hat mich immer ganz besonders bewegt, euch beide zu sehen. Weil ihr etwas Besonderes wart und weil ihr es wusstet. Es war die Art, wie ihr euch angelacht habt und wie ihr miteinander gesprochen habt. Die Dinge, über die ihr spracht. Ihr habt über die Welt geredet ... du weißt schon, über Politik, die Umwelt und so weiter. Ihr habt darüber geredet, als wäre es sehr wichtig. Als wäre es eure persönliche Aufgabe, in dieser Hinsicht etwas zu unternehmen. Ich kam mir immer etwas größer, wichtiger vor, wenn ihr beide in der Nähe wart.«
    »Das freut mich«, sagte Tom. Er war ihr tatsächlich unerwartet dankbar, dass sie das sagte – dass sie erkannte, was Barbara

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