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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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einzudringen.
    Billy spürte nichts davon. Billy atmete nur. Die Nanomechanismen, so klein wie Viren, wurden durch das feuchte Gewebe seiner Lungen vom Blutkreislauf absorbiert. Während ihre Zahl rapide zunahm, verrichteten sie ihr Werk.
    Für die kybernetischen Helfer war Billy ein unendlich weites und verwinkeltes Territorium, ein eigener Kontinent. Zuerst traten sie isoliert auf, nur ein paar Pioniere, die das gefährliche Hinterland entlang der Blutströme kolonisierten. Sie entzifferten die chemische Sprache von Billys Hormonen und reagierten darauf mit eigenen, schwachen chemischen Botschaften. Sie überquerten die heikle Barriere zwischen Blut und Gehirn. Sie versammelten sich in zunehmender Zahl an der Kontaktfläche von Fleisch und Rüstung.
    Billy inhalierte tausend Maschinen mit jedem Atemzug.
    Der Ausgang tauchte nun vor ihm auf, ein offener Durchgang in das Jahr 1989.
    Billy eilte darauf zu. Er spürte bereits, dass irgendetwas nicht in Ordnung war.

 
    20
    Tom sprang aus dem Bett, sobald er das erste Alarmsignal vernommen hatte. Joyce erreichte die Tür noch vor ihm.
    Die Maschinenkäfer hatten diese Alarmgeräte aus drei Rauchdetektoren zusammengebaut, die Doug im Eisenwarenladen erstanden hatte. Die Signale waren schrill und durchdringend. Tom und Joyce hatten in Erwartung der Signale in ihren Kleidern geschlafen, aber als der Alarm tatsächlich losschrillte, erschien ihnen das völlig unwirklich. Tom hörte auf, nach seiner Uhr zu suchen, und versuchte sich daran zu erinnern, was Ben ihm für diesen Fall erklärt hatte: Wenn der Alarm losgeht, dann nehmen Sie Ihre Waffe und begeben sich schnellstens zur Grenze des Anwesens. Aber er musste nur Joyce folgen, die an der Tür stand und ihm ungeduldig zuwinkte.
    Sie liefen durch das dunkle Wohnzimmer, durch die Küche und hinaus in eine grelle Lichtflut. Fünfzehn Natriumdampf-Sicherheitsleuchten – ebenfalls aus dem Home-Hardware-Eisenwarenladen – waren im Garten installiert worden.
    Außerhalb der Reichweite dieser Leuchten, in den Büschen und im hohen Gras am Waldrand, kauerte er zusammen mit Joyce – und mit Doug und Catherine, die noch schneller das Haus verlassen hatten als sie.
    Die Alarmsignale brachen abrupt ab. Grillen nahmen nach und nach im Dunkel des Waldes wieder ihr Lied auf. Tom spürte, wie sein Puls raste.
    Das Haus war inmitten der als Silhouetten erkennbaren Kiefern und unter einem üppigen Sternenhimmel grell erleuchtet. Ein nächtlicher Wind strich durch die Kiefernspitzen und ließ sie schwanken. Tom spielte mit den Zehen im feuchten Bett aus Kiefernnadeln. Er war mit nackten Füßen hinausgelaufen.
    Er sah sich suchend um. »Wo ist Ben?«
    »Im Haus«, sagte Archer. »Hören Sie, wir sollten uns ein wenig verteilen ... damit wir eine größere Fläche sichern können.«
    Archer spielte Space Soldier. Aber es war kein Spiel. »Das ist es, nicht wahr?«
    Archer lachte nervös zu ihm herüber. »Das große Finale.«
    Tom wandte sich gerade noch rechtzeitig zum Haus um, sodass er sehen konnte, wie die Fenster explodierten.
    Glasscherben regneten auf die Wiese herab. Sie bildeten einen glitzernden Schauer im grellen Licht der Sicherheitsleuchten.
    Tom zog sich einen Schritt in den Schutz des Waldes zurück. Er bemerkte, dass Joyce seinem Beispiel folgte.
    Aber es gab keinen richtigen Rückzug.
    Hier war der absolute Mittelpunkt des Geschehens, die absolute Gegenwart, dachte Tom, und man konnte nichts anderes tun, als sich ihr zu unterwerfen.

 
    21
    Ben stand ruhig da und ertrug gelassen die Detonation der Granate. Es war eine EM-Impulsbombe und für den Eindringling weniger nützlich, als er es in Erinnerung hatte. Die kybernetischen Helfer waren dagegen gewappnet. Der Impuls pflanzte sich über die Kellertreppe nach oben fort und sprengte die Fenster aus den Rahmen. Ben spürte die Detonation als einen Schwall warmer Luft und einen Druck auf den Ohren. Er stand mit dem Rücken zur Tür, stützte sich auf sein gesundes Bein und beobachtete die Treppe.
    Er bezweifelte nicht, dass der Eindringling ihn töten konnte. Der Eindringling hatte ihn schon einmal getötet und war sicherlich fähig, es ein zweites Mal zu tun – dann vielleicht endgültig. Aber er hatte keine Angst vor dem Tod. Er hatte zumindest einen Eindruck von seinen Grenzgebieten gewonnen. Ein kalter Ort, einsam, in großer Tiefe, aber nicht besonders Furcht einflößend. Er hatte Angst, sein Leben zurückzulassen ... aber selbst diese Furcht war weniger

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