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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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fühlte sich von sich selbst abgetrennt, losgelöst, als schwebe er über seinem eigenen Körper wie ein Vogel.
    Dies geschah völlig unerwartet. Es war ein völlig fremdes Gefühl und zweifelsfrei feindlich. Aber er ließ sich dadurch nicht aufhalten.
    Er stieg die Treppe hoch, war immer noch funktionsfähig, wurde jedoch von fremdartigen Empfindungen überschwemmt: blitzartige Schübe panischer Angst, durchwoben von bläulichen Schuldreflexen. Billy hatte immerhin noch einen hinreichend klaren Kopf, um zu erkennen, dass er in eine Falle getappt war; dass sein Opfer, der Zeitreisende, sich irgendwie an seiner Rüstung zu schaffen gemacht hatte. In seinen Ohren hallte ein ständiger schriller Warnton, und das Diagnoseprogramm in seinem Sichtgerät produzierte einen ganzen Katalog von bedeutenden und unbedeutenden Fehlleistungen und Funktionsstörungen. Bisher arbeitete die Drüse im Deckflügel noch – wenn auch unregelmäßig –, und seine Waffen waren einsatzfähig. Aber er war verletzbar, und er war langsam, und es dauerte möglicherweise nicht mehr allzu lange, bis er völlig hilflos wurde.
    Nichts von alledem minderte Billys Entschlossenheit. Da sie seine Panik registrierte, schleuste Billys Rüstung wirkungsvolle neue Moleküle in seinen Blutkreislauf. Der Tötungsdrang, der sich in der Vergangenheit so stark bemerkbar gemacht hatte, entfaltete sich zu etwas Neuem und Intensiverem: zu einem qualvollen Bedürfnis.
    Am oberen Ende der Treppe sah er sich einem Mann gegenüber, den er schon einmal getötet hatte, einem Zeitreisenden. Billy interessierte sich nicht für die Umstände seiner Auferstehung, sondern beschloss einfach, den Mann erneut zu töten, sooft es nötig wäre. Eine kurzzeitige Schwankung bewirkte, dass er nach vorne kippte. Er stürzte, schaute hoch, und der Zeitreisende fragte nach seinem Namen. Billy antwortete, ohne nachzudenken, und erschrak beim Klang seiner eigenen Stimme.
    Dann hob er seine Handgelenkwaffe. Aber das Chaos in seinem Inneren behinderte ihn und verlangsamte seine Bewegungen, und der Zeitreisende konnte in Ruhe zielen und seine eigene Waffe abfeuern, ein Strahlengerät, das Billys Rüstung kurzzeitig in einen Krampfzustand versetzte, sodass Billy in lächerlicher Hilflosigkeit taumelte und hinfiel, ähnlich einer Statue, die von ihrem Sockel herunterkippt.
    Er vergeudete keine Zeit, über seine Verletzbarkeit nachzusinnen, sondern wartete ungeduldig, dass dieser Zustand vorüberging. Sobald sein Arm wieder beweglich war, brachte er ihn nach vorn, riss ihn mit aller Präzision hoch, die seine streikende neurale Erweiterung aufbringen konnte, und brannte ein Loch in den Leib des Zeitreisenden.
    Das Ergebnis war beeindruckend. Die Wände schienen zu zerbröckeln. Maschinenkäfer strömten über den Teppichboden. Ein Aufwallen primitiven Ekels ließ Billy hochspringen und zurückweichen. Er zündete eine weitere Impulsbombe – seine letzte –, und sie ließ die Käfer langsamer werden, aber sie hielt sie nicht vollends auf.
    Da sie über der Erdoberfläche detoniert war, hatte der Impuls eine durchschlagende Wirkung auf das örtliche Stromnetz. Die Hausbeleuchtungen flackerten und wurden dunkler, dann erreichten sie wieder die alte Helligkeit und flackerten erneut. An der Post Road wachten drei Familien auf und mussten feststellen, dass ihre Fernseher durchgebrannt und zu nichts mehr zu gebrauchen waren. In einem Dutzend Häuser am östlichen Ende von Belltower kämpften sich verschlafene Bewohner aus ihren Betten hoch, um die Hörer wild klingelnder Telefone abzunehmen und am anderen Ende nichts anderes zu hören als ein bedrohliches tiefes Brummen.
    Die kybernetischen Helfer umschwärmten den Körper des zu Boden gestürzten Zeitreisenden – und heilten oder verschlangen ihn. Billy konnte nicht genau erkennen, was sie taten, aber es war ihm auch gleichgültig.
    Sterbend eilte Billy zur Tür.

 
    23
    Tom war um das Haus herum zur Vorderfront geeilt, als das letzte noch heile Fenster – Nordseite, Schlafzimmer – von einer zweiten Detonation aus dem Rahmen gesprengt wurde.
    Die Flutlichter wurden dunkler, dann wieder heller, verdunkelten sich erneut. Das Gleiche geschah auch mit den Straßenlaternen an der Post Road.
    Er rannte durch den Vorgarten und über die Straße hinüber zum Graben auf der anderen Seite. Ben sollte auf die Vordertür des Hauses achten. Aber es war Tom klar geworden, dass Ben kein unüberwindliches Hindernis darstellte und dass die Vordertür einen

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