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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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erinnerte, wenn er die Rüstung anlegte. Es war so, als tauchte er aus einer Trance auf.
    All seine Zweifel verflüchtigten sich. Er fühlte sich so, wie seiner Vorstellung nach ein Wolf empfand: zu allem entschlossen und benommen vor Glück über die bevorstehende Jagd.
    Er ging zu dem Haus, in dem seine Rentner wohnten, am Kreuzungspunkt der Zeiten.
    Er installierte zwei neue Schlösser, die er am Vortag in einem Eisenwarenladen gekauft hatte: ein neues Schnappschloss mit Knauf für die Tür in der Halle und ein neues Vorhängeschloss für die untere Tür. Falls einer der Mieter ihn zufälligerweise bei der Arbeit sehen würde, hatte Billy sich eine Erklärung für seine seltsame Kleidung zurechtgelegt – aber niemand erschien, außer einem Botenjungen mit einem Karton Lebensmittel für Amos Shank. Er lief die Treppe hinauf und verließ das Haus wieder, ohne ein Wort zu sagen.
    Dann ging Billy in den Keller hinunter, wohin niemand sich je verirrte.
    Er brachte das neue Vorhängeschloss an und hängte den Schlüssel an seinen Gürtel, der nun beim Gehen klimperte.
    Dann folgte er den Steinstufen hinunter in die tiefsten Regionen des Hauses, in den untersten Keller, wo der Tunnel begann, wo eine seiner Sprenggranaten eine Wand herausgerissen und den Raum dahinter abgeriegelt hatte. Wo der Schutt entfernt worden war, um erneut einen Durchlass zu schaffen.
    Er kam nicht gerne hier herunter. Ob mit Rüstung oder ohne, ihm gefiel der Tunnel nicht. Er erinnerte ihn an das Zeitgespenst, dem er darin begegnet war, einem Rätsel, das nicht einmal Ann Heath ihm hatte erklären können, eine flammende Monstrosität mit einer Übelkeit erregenden inneren Organstruktur, die unter der hellen Membrane der Haut pulsierte. Das lag zehn Jahre zurück, aber die Erinnerung daran war noch immer qualvoll lebendig. Das Wesen war ihm nahe genug gekommen, um die Haare auf seiner rechten Kopfseite zu versengen. Er hatte noch Tage danach den Gestank seiner eigenen Verbrennungen in der Nase gehabt.
    War es ein Zeitgespenst, das nun hinter ihm her war?
    Billy glaubte es nicht. Ann Heath hatte gesagt, sie erschienen niemals außerhalb der Tunnel. Die Tunnel seien ihr Lebensraum. Sie hausten in diesen Zeitrissen in ähnlicher Weise, wie Bakterien in der kochenden Hitze vulkanischer Quellen existierten. Was immer durch die Tür gekommen war, dachte Billy, musste mindestens annähernd menschlich sein.
    Er kletterte über den verstreut liegenden Schutt in die Tunnelöffnung, schaute erwartungsvoll in die leere, weiße Röhre, aber dort war kein Zeitgespenst, nicht jetzt, und er nahm an, dass dort auch nie eines sein würde. Ann Heath hatte erzählt, sie seien gefährlich, aber man bekäme sie nur sehr selten zu Gesicht. Trotzdem hielt sich Billy in der Nähe des Eingangs auf. Wie seltsam, dass dieser Übergang so einfach beschaffen war. Billy hatte den Tunnel so weit zerstört, dass er nur einen einzigen Zielort hatte, nämlich ein Haus an der Pazifikküste, ungefähr dreißig Jahre in der Zukunft, und er hatte auch diesen Eingang verschlossen und den dortigen Zeitreisenden getötet, und deshalb hätte eigentlich niemand durch den Tunnel kommen dürfen ... aber im Staub waren Fußabdrücke zu sehen. Die Spuren von Turnschuhsohlen.
    Diese Spuren waren ziemlich verwirrend, und Billy fragte sich – während er nervös im fahlen Licht des Tunnels stand –, ob der Eindringling vielleicht aus der anderen Richtung gekommen war: dass er den Tunnel in Manhattan entdeckt hatte und durch ihn in die Zukunft vorgedrungen war.
    Aber nein – das Schloss an der Tür war von innen aufgebrochen worden.
    Also jemand, der am anderen Endpunkt auf den Tunnel gestoßen war, irgendwo gegen Ende des Jahrhunderts?
    Das war möglich, sogar ermutigend. Billy hatte angenommen, dass der Durchgang verschlossen war; dennoch ging er davon aus, dass jemand ihn irgendwie geöffnet hatte. Diese neue Möglichkeit erfüllte ihn mit Zuversicht. Er müsste den Eindringling suchen und töten, was sonst. Er musste der einzige Verwalter und Benutzer des Tunnels bleiben. Dieses Geheimnis war einfach zu groß, als dass er es mit jemandem teilen durfte. Und ein ahnungsloser Besucher aus der nächsten Zukunft wäre eine leichte Beute.
    Dennoch, er sollte sich darauf nicht verlassen. Eher sollte er mit einem harten Kampf rechnen und nicht auf ein leicht verwundbares Ziel hoffen.
    Er warf einen letzten Blick in den leeren Tunnel, dann schaltete er seine Such- und Testprogramme ein.
    Er erfuhr

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