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Chronos

Titel: Chronos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Charles Wilson
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eine ganze Menge.
    Seine Rüstung entdeckte und speicherte Fingerabdrücke an den Kellerwänden, Hautproben, wo der Eindringling sich an den Glasscherben, die aus dem Schutt ragten, geschnitten hatte. Der Eindringling war ein Mensch, männlich, Blutgruppe Null positiv. Zu Hause hätte ein fähiges Labor sicherlich ein Bild des Mannes aus einer einzigen Genprojektion erstellen können. Aber Billy hatte diese Möglichkeiten nicht. Er benötigte andere Hilfsmittel, um sein Opfer aufzuspüren.
    Die Schwierigkeit der Aufgabe war enorm. Sie zu lösen konnte sich als unmöglich erweisen – ein Durchschnittsbürger aus der Zukunft konnte sich überall und nirgends aufhalten. Er konnte mit einem Flugzeug an einen ihm vertrauten Ort geflogen sein. Er könnte auch Geld auf dem Aktienmarkt investiert und einen Ausflug in seine eigene Vergangenheit unternommen haben.
    Aber der Mann war vor weniger als einem Monat hier eingetroffen, und Billy vermutete, dass er mehr Zeit brauchte, um sich zu akklimatisieren und zurechtzufinden. Eines war sicher: Sein Geld nutzte ihm nichts, und sein Wissen war sicherlich wertvoll, jedoch ließ sich damit nichts verdienen. Durchaus möglich, dass er sich ganz in der Nähe aufhielt.
    Aber wie sollte er ihn identifizieren?
    Billy strich mit einem Finger durch den Staub auf dem Boden. Staub von seiner Sprenggranate, Staub vom Fundament des Gebäudes. Er öffnete eine Tasche im Deckflügel seiner Rüstung und holte das Sichtgerät der Rüstung hervor, eine lederartige schwarze Maske, die sein Gesicht vollständig bedeckte. Er klemmte ein optisches Kabel zwischen Sichtgerät und die Elektronik der Rüstung und ihre Prozessoren, während die Analysegeräte den Staub untersuchten und für Billy die Zusammensetzung als Kurztext ins Sichtgerät übertrugen: Kalkstein, Sand, Granit ... und mikroskopisch kleine Partikel des Tunnels selbst. Fremdartige langkettige Moleküle, die im matten Licht leuchteten, Hintergrundstrahlung absorbierten und Photonen abstrahlten.
    Billy stellte die Bandbreite des Sichtgeräts auf die Frequenz der stärksten Strahlung ein, dann kehrte er zurück in den dunklen Kellerraum.
    Mit dem entsprechend justierten Sichtgerät war der leuchtende Staub deutlich zu erkennen.
    Billy stand in einer mit mattem Sternenfunkeln erfüllten Kammer. Die Spitze seines Zeigefingers leuchtete wie eine winzige Sternenkonstellation.
    Wie viel von dem Staub hatte der Eindringling aus dem Gebäude mitgenommen? Wie viel klebte an ihm? An seinen Schuhen? An seinen Kleidern? Wie lange?
    Interessante Fragen.
    Ehe er ging, blieb er noch für einen Moment im Tunnel stehen.
    Er machte mit klopfendem Herzen einen Schritt vorwärts. Dies war kein Ort, rief er sich in Erinnerung. Es war eine Zeitmaschine. Jeder Schritt beförderte ihn eine genau bemessene Distanz vorwärts: eine Woche, einen Monat? Und was tue ich da draußen? Ich mache einen Schritt: Februar? März? Schneit es? Stehe ich dann draußen im Schnee? Bin ich auf der Jagd? Lebt die Rüstung? Existiere ich überhaupt?
    Angenommen, er rannte hundert Meter weiter. 1963? 1964? Hätte der Deckflügel versagt? Wäre die elektronische Drüse eingetrocknet? Bin ich zusammengebrochen und irgendwo gestorben? Angenommen, er ginge noch weiter. Angenommen, er stand in irgendeinem geschützten Teil des Tunnels, über dem das Jahr 1970 ablief, oder 1975, 1980 ... Lag Billy dann in seinem Sarg auf irgendeinem Friedhof, ein Jahrhundert vor seiner Geburt bereits begraben?
    Er empfand plötzlich eine seltsame Schwerelosigkeit, ein Schwindelgefühl.
    Es war besser, über diese Dinge nicht nachzudenken.
    Zu Hause duschte er; anschließend wusch und polierte er seine Rüstung. Er nahm die Rüstung nur ungern ab. Er hatte noch nicht seine gesamte Energie wieder regeneriert, und das körperliche Bedürfnis war noch immer dringend und unbefriedigt. Die Lanzette hatte eine schmerzhafte Wunde auf der rechten Bauchseite hinterlassen. Ohne den Hormontropf fühlte er sich klein, verletzlich und nervös. Aber er musste schlafen. Und es wäre Verschwendung, wenn er dabei die Rüstung trug.
    Morgen, versprach er sich selbst. In der Nacht.
    Er träumte von der Sturmzone, von bewaffnetem Kampf in der Zukunft, in der er früher gelebt hatte. Und dann von Ohio, den heißen Sommern und den kalten, schneelosen Wintern dort. Er träumte von dem Bett, in dem er als Kind geschlafen hatte, von einem Heizgerät, das er im Januar und im Februar einschalten durfte. Von bitterkalten Nächten, in

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