Chucks Welt
erbärmliches Würstchen! ?
Mein Handy vibriert. Noch eine SMS von Amy. Zwei direkt hintereinander. Ich lese sie und vergrabe mein Gesicht in den Händen.
Da steht: Zwänge hab ich auch.
Oh, Amy, Amy, Amy. Stimmt, du bist akkurat und alle deine Mappen für die Schule sind genau beschriftet und in bester Ordnung. Aber du schleppst angeknabberte Müsliriegel in einem Rucksack voller Hundehaare mit dir herum und trägst eine Jacke, die schon wer weiß wo gewesen ist. Du hast keine Zwangsstörung, genauso wenig wie Steve.
Auch wenn ich Amy endlich zu einem längeren Austausch von Sätzen gebracht habe, was in unserer Lage schon ein gewaltiger Fortschritt ist, beschließe ich, nicht zurückzuschreiben.
Immerhin begreife ich trotz Amys enttäuschender Antwort so langsam, wie sie denkt. In San Diego hatte sie dieses Arschloch zum Freund. Nichts bedeutet ihr mehr auf der Welt als ihr Hund. Dann lernt sie jemanden neu kennen – mich. Aber erst stellt sich heraus, dass dieser Typ auch ein Arschloch ist, und dann macht er auch noch ihren Hund fertig. Doppelschlag.
Und wenn ich ihr von meiner Zwangsstörung schreibe und sie daraufhin behauptet, sie hätte auch eine, dann zeigt mir das: Amy hat keine Ahnung, was ich durchmache. Sie findet mein Verhalten nur sonderbar. Na ja, wer zum Teufel fände das nicht? Und das ist letztlich auch gut, wie Mom sicher sagen würde.
Und was soll daran gut sein, verdammt noch mal? Dass ich es in Ordnung bringen kann, jetzt, wo ich weiß, was das Problem ist.
S teve und ich sitzen zum Lernen in der Bibliothek. Das ist der letzte Ort, an dem ich sein will, aber bald steht die erste Prüfungsrunde an, also muss der ganze Mist irgendwie in unsere Köpfe. Und als bräuchte es noch einen Beweis mehr, dass mich das Universum hasst, war nur ein einziger Tisch frei, nämlich der von Amy und mir. Ich schwöre, der Duft von Amy hängt noch in der Luft. Es riecht nach Babypuder und Coolness.
Natürlich lenkt mich das ab und ich kriege beim Lernen nichts auf die Reihe.
»Ich glaube, ich weiß jetzt, was ich wegen Amy tun werde«, verkünde ich.
Mein Gerede über Amy kommt Steve so langsam zu den Ohren raus, das ist nicht zu übersehen. Aber als guter Kumpel spielt er trotzdem mit.
»Was denn?«
»Ich erzähle ihr alles. Von Dr. S., von Lexapro, einfach alles.«
»Von was?«
Scheiße. Mir wird klar, dass ich Steve nie was von den Tabletten erzählt habe.
»Was zum Teufel ist Lexapro?«
»Irgend so ein Medikament, das mir Dr. S. verpasst hat. Hilft gegen meine Symptome.«
»Wie lange nimmst du das schon?«
»Einen Monat oder so?«
»Und wieso hast du das nie erzählt?«
»Keine Ahnung. Ist mir peinlich. Ich wollte nicht, dass du mich seltsam findest oder so.«
Steve sieht mich an. »Chuck, du bist der seltsamste Typ auf Erden, mit Abstand.«
Wir müssen beide lachen. Widerspruch ist zwecklos.
»Na ja«, fährt Steve netterweise fort, »aber was anderes: Warum willst du Amy jetzt alles sagen?«
»Sie hat immer noch nicht verstanden, wieso ich derart ausgerastet bin. Ich denke mir, wenn sie begreift, was los ist, und außerdem erfährt, dass es nach und nach besser wird, will sie bestimmt irgendwann wieder mit mir zusammen sein.«
»Aha«, macht Steve. »Klingt nach einem Plan.«
Er wirkt nicht besonders überzeugt, aber ich bin sicher, das ist der richtige Weg.
»Wenn ich’s nicht schaffe, dass sie mit mir zum Ball geht«, sage ich, »weiß ich echt nicht, was ich machen soll, verstehst du?«
»Klar, Chuck, schon kapiert.«
Keine Frage, ihm reicht’s.
»Wo wir gerade über Mädchen reden«, beginnt er, »du hast mir nie erzählt, was Beth gesagt hat.«
»Was meinst du?« Darüber möchte ich nun wirklich nicht reden.
»Beth. Deine Schwester? Du hast doch gesagt, du legst ein gutes Wort für mich ein. Weißt du noch? Nach dieser Scheiße mit Parker?«
Logisch erinnere ich mich. Aber ich hatte gegen jede Wahrscheinlichkeit gehofft, Steve hätte es vergessen.
»Ich wollte dich nicht nerven, wo du so viel Mist am Hals hast«,macht er weiter, »aber jetzt, wo’s dir besser geht und du dieses Wunderzeug kriegst, könntest du deinem besten Freund Steve vielleicht mal erzählen, was passiert ist mit Beth?«
Keine Ahnung, welchen Kurs ich jetzt einschlagen soll. Ich könnte Steve erzählen, dass ich nie wirklich mit Beth über ihn geredet habe, weil sie sowieso nichts von ihm wissen will, nicht in einer Million Jahren – was übrigens ganz in meinem Sinn ist. Oder soll
Weitere Kostenlose Bücher