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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Frage stellte, machten beide einen Rückzieher.
    »Wenn Sie keinen kompletten Reinfall wollen, dann müssen wir Castros Luftstreitkräfte vollständig zerstören«, beschwor Esterline nicht zum ersten Mal sein Gegenüber. Allen drei Männern war klar, dass Castros sechsunddreißig Kampfflugzeuge durchaus in der Lage waren, Hunderte von CIA-Kubanern schon bei der Landung am Strand zu töten. Vertrauen Sie mir, erwiderte Bissell. Er versprach, Präsident Kennedy davon zu überzeugen, dass Castros Luftstreitmacht ausradiert werden müsse. »Er überredete uns weiterzumachen«, erinnert sich Esterline mit Verbitterung. »Er sagte: ›Ich verspreche Ihnen, dass es keinerlei Einschränkung der Luftangriffe geben wird.‹«
    In der Stunde der Entscheidung allerdings kürzte Bissell die Zahl der US-Luftstreitkräfte, die Castros Luftwaffe zerstören sollten, um die Hälfte, von sechzehn auf acht Bomber. Er wollte damit dem Präsidenten einen Gefallen tun, der ein lautloses Landeunternehmen wünschte. Bissell machte ihm weis, dass die CIA genau das hinkriegen werde.
    Am Sonnabend, dem 15.April, griffen acht US-Bomber vom Typ B-26 drei kubanische Flugplätze an, während zugleich die 1511 Mann starke CIA-Brigade Kurs auf die Schweinebucht nahm. Fünf kubanische Maschinen wurden zerstört, vermutlich ein Dutzend weitere beschädigt. Aber die Hälfte der Luftstreitmacht Castros blieb intakt. Der Vorwand der CIA lautete, dass der Angreifer, ein einzelner Überläufer aus Castros Luftwaffe, mit seiner Maschine in Florida gelandet sei. Am gleichen Tag entsandte Bissell Tracy Barnes nach New York, damit er diese Geschichte dem UN-Botschafter der USA, Adlai Stevenson, andrehe.
    Bissell und Barnes führten Stevenson an der Nase herum, ganz so, als wäre er ihr Agent. Wie später Außenminister Powell am Vorabend des Irak-Kriegs, so verkaufte auch Stevenson die CIA-Geschichte der Weltöffentlichkeit. Aber anders als Powell entdeckte Stevenson am nächsten Tag, dass er reingelegt worden war.
    Die Erkenntnis, dass Stevenson in aller Öffentlichkeit beim Lügen erwischt worden war, machte Außenminister Dean Rusk, der sowieso allen Anlass hatte, über die CIA verärgert zu sein, geradezu sprachlos. Nur wenige Stunden zuvor hatte er nämlich, unmittelbar nach einer anderen geplatzten CIA-Operation, dem Premierminister von Singapur, Lee Kwan Yew, ein förmliches Entschuldigungsschreiben schicken müssen. Ein Trupp Geheimpolizisten der Sicherheitskräfte Singapurs hatte eine konspirative Unterkunft der CIA gestürmt, in der diese gerade einen auf ihrer Gehaltsliste stehenden Minister aus der Regierung Singapurs verhörte. Premierminister Lee, der ein äußerst wichtiger Verbündeter der USA in der Region war, hatte mitgeteilt, der Leiter des CIA-Büros habe ihm 3,3 Millionen Dollar Schweigegeld angeboten, wenn er die Angelegenheit unter der Decke halte.
    Am Sonntag, dem 16.April, um 18 Uhr schickte Stevenson von New York aus ein Telegramm an Dean Rusk, in dem er ihn vor dem »erheblichen Risiko einer Wiederholung des U-2-Desasters aufgrund einer derart unkoordinierten Aktion« warnte. Um 21 Uhr 30 rief McGeorge Bundy, der nationale Sicherheitsberater des Präsidenten, Dulles’ Stellvertreter, General Charles Pearre Cabell, an und wies ihn darauf hin, dass die CIA keinerlei Luftangriffe auf Kuba starten dürfe, sofern »sie nicht von einem Flugfeld innerhalb eines Landekopfs (in der Schweinebucht) geflogen werden können«. Um 22 Uhr 15 machten sich Cabell und Bissell eilig auf den Weg in die vornehmen Büroräume im 17. Stockwerk des Außenministeriums. Rusk erklärte ihnen, dass die Flugzeuge der CIA zum Schutz des Landekopfes in die Kämpfe eingreifen könnten, aber keine kubanischen Flugplätze, Häfen oder Radiosender attackieren dürften. »Er fragte mich, ob ich den Präsidenten sprechen wolle«, schreibt Cabell. »Bissell und mir wurde vor Augen geführt, wie äußerst heikel die Situation mit Adlai Stevenson und den Vereinten Nationen sei und welches Risiko für die Stellung der USA insgesamt bestehe« – eine Situation, die allerdings erst durch Bissells und Barnes’ Lügen entstanden war –, daher »sahen wir keinen Grund, warum ich persönlich mit dem Präsidenten sprechen sollte«. Da sich Bissell in seine eigenen Lügengeschichten verstrickt hatte, beschloss er stillzuhalten. In seinen Memoiren begründet er sein Stillschweigen mit Feigheit.
    Als Cabell zur Kommandostelle der CIA zurückfuhr und dort Bericht erstattet hatte,

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