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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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die Stimme der Vernunft und der Mäßigung in den Wind geschlagen, hatte immer häufiger die nachdrücklichen Empfehlungen der Geheimdienstberater des Präsidenten ignoriert, Berichte seines eigenen Generalinspekteurs beiseitegewischt und seine Untergebenen mit Verachtung behandelt. »Er war zu jener Zeit bereits ein müder alter Mann«, dessen berufliches Auftreten »äußerst unangenehm sein konnte und in der Regel auch war«, erzählt Dick Lehmann, einer der besten wissenschaftlichen Mitarbeiter, den die CIA je hatte. »Sein Verhalten uns gegenüber war Ausdruck seiner Wertvorstellungen. Natürlich lag er völlig schief, aber wir mussten damit leben.«
    In den letzten Tagen seiner Amtszeit konnte sich Eisenhower der Einsicht nicht länger verschließen, dass er über einen Spionagedienst gebot, der diesen Namen nicht verdiente. Diese Einsicht kam ihm, als er einen dicken Stapel von Berichten durchlas, die er in der Hoffnung, die CIA verändern zu können, in Auftrag gegeben hatte.
    Der erste Bericht vom 15.Dezember 1960 war von der Gemeinsamen Untersuchungskommission verfasst worden, die er nach dem Abschuss der U-2 eingesetzt hatte, um sich einen genauen Überblick über die amerikanischen Geheimdienste zu verschaffen. Was sich ihm bot, war ein Bild von Planlosigkeit und Schlamperei. Schwarz auf weiß war da zu lesen, dass sich Dulles niemals mit dem Problem eines sowjetischen Überraschungsangriffs befasst hatte. Nie hatte er militärische Aufklärung und zivile Auswertung koordiniert. Zu keinem Zeitpunkt hatte er Mittel und Wege erwogen, für den Krisenfall ein Warnsystem auf die Beine zu stellen. Acht Jahre hatte er damit zugebracht, Geheimoperationen auszubaldowern, anstatt den amerikanischen Geheimdienst auf Vordermann zu bringen.
    Am 5.Januar 1961 schließlich überreichte das Beratergremium für Auslandsaufklärung dem Präsidenten seinen Abschlussbericht. Darin wurde eine »völlige Neubewertung« der geheimen Operationen gefordert: »Wir sind nicht in der Lage, abschließend zu beurteilen, ob, per Saldo, sämtliche von der CIA bis heute durchgeführten Programme für Geheimaktivitäten das Risiko eines Großeinsatzes von Menschen, Geld und sonstigen Mitteln gelohnt haben.« Mit Besorgnis wurde darauf verwiesen, dass »das ausschließliche Interesse der CIA an politischen, psychologischen und ähnlichen geheimen Aktivitäten dazu geführt hat, den Dienst ganz entscheidend von der Durchführung seiner primären Aufgabe der Nachrichtenbeschaffung abzuhalten.«
    Gegenüber dem Präsidenten äußerte das Gremium die dringende Empfehlung, eine »vollständige Ablösung« des Geheimdienstdirektors von der CIA zu erwägen. Dulles sei unfähig, den Dienst zu leiten und zugleich seiner Pflicht nachzukommen, die US-Nachrichtendienste zu koordinieren – zum Beispiel die Aufgabe der National Security Agency , Geheimcodes zu erstellen und zu knacken; die sich abzeichnenden Möglichkeiten von Spionagesatelliten und der fototechnischen Weltraumaufklärung auszuloten sowie das endlose Gezänk zwischen den Nachrichtendiensten von Armee, Marine und Luftwaffe zu schlichten.
    »Ich erinnerte den Präsidenten daran, dass er sich selbst schon viele Male mit diesem allgemeinen Problem befasst habe«, schrieb Gordon Gray, Eisenhowers nationaler Sicherheitsberater, nachdem er mit diesem den Bericht durchgesehen hatte. Ich weiß, habe Ike geantwortet, ich habe es ja auch versucht. Ich kann Allen Dulles aber nicht ändern.
    »Eine ganze Menge ist geschafft«, versicherte Dulles bei den letzten Zusammentreffen des Nationalen Sicherheitsrates in Eisenhowers Amtszeit. Alles sei unter Dach und Fach, versicherte er. »Ich habe den Geheimdienst auf Vordermann gebracht.« Nie zuvor sei die Auslandsaufklärung der USA so flink und geschickt gewesen. Koordination und Zusammenarbeit funktionierten besser denn je. Die Vorschläge des Ausschusses für Auslandsaufklärung seien absurd, wetterte er, sie seien Wahnsinn, und sie seien unrechtmäßig. »Nach dem Gesetz bin ich verantwortlich für die Koordinierung der Nachrichtendienste«, betonte er gegenüber dem Präsidenten. »Diese Verantwortung kann ich nicht delegieren. Ohne meine Führung« wären die amerikanischen Nachrichtendienste ein »in dünner Luft dahinsegelndes Gebilde«.
    Schließlich platzten Wut und Unmut aus Dwight D. Eisenhower heraus. »Unsere Nachrichtendienste sind in ihrer Grundstruktur eine Fehlkonstruktion«, wies er Dulles zurecht. Sie haben weder Hand noch Fuß und

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