CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
koordinieren. Dann gab es noch das National Reconnaissance Office (NRO), ein 1962 für den Bau von Spionagesatelliten geschaffenes Aufklärungsbüro. Im Frühjahr 1964 versuchten Luftwaffengeneräle, dessen von der CIA mit einer Milliarde Dollar pro Jahr dotiertes Programm in die Hand zu bekommen. Dieser Griff nach der Macht spaltete das ohnehin ungefestigte Aufklärungsbüro.
»Ich hätte nicht übel Lust, dem Verteidigungsminister und dem Präsidenten zu sagen, sie könnten sich das NRO sonstwohin stecken«, tobte McCone. »Ich überlege, ob ich den Präsidenten anrufen und ihm sagen soll, er solle sich einen neuen CIA-Direktor suchen. (…) Die Bürokraten im Pentagon versuchen, das Ganze so auf die Spitze zu treiben, dass keiner mehr mit dem Nachrichtendienst fertig wird.«
Im Sommer 1964 machte McCone Anstalten zurückzutreten, aber Lyndon Johnson wies ihn an, wenigstens bis zu den Wahlen auf seinem Posten zu verbleiben. Der Vietnamkrieg war mittlerweile in vollem Gange, und der Anschein von Loyalität musste unbedingt gewahrt werden.
»Bloß auf fliegende Fische geschossen«
Das US-Parlament erteilte sein Plazet für den Krieg mit der Resolution zum Golf von Tonking, die nach dem – wie Präsident und Pentagon einhellig verlauten ließen – unprovozierten nordvietnamesischen Angriff vom 4.August auf die in internationalen Gewässern kreuzenden amerikanischen Schiffe im US-Kongress durchgepeitscht wurde. Die Nationale Sicherheitsbehörde, die die nachrichtendienstlichen Erkenntnisse über den Angriff zusammenstellte und überprüfte, behauptete steif und fest, die Belege seien unanfechtbar. Robert McNamara schwor Stein und Bein auf ihre Unwiderleglichkeit. Die von der Marine in Auftrag gegebene offizielle Geschichte des Vietnamkrieges nennt sie beweiskräftig.
Es war kein redliches Versehen. Der Vietnamkrieg begann mit politischen Lügen, gestützt auf fingierte Informationen. Hätte die CIA ihrer Satzung gemäß gearbeitet, wäre McCone seinen gesetzlich vorgeschriebenen Pflichten nachgekommen, so wie er sie sah, dann hätten die falschen Berichte womöglich nicht länger als ein paar Stunden Bestand gehabt. So aber kam die volle Wahrheit erst im November 2005 ans Licht, nämlich in einem umfassenden Eingeständnis, das die Nationale Sicherheitsbehörde zur Veröffentlichung freigab.
Im Juli 1964 kamen Pentagon und CIA zu der Erkenntnis, dass die sechs Monate zuvor im Rahmen des Operationsplans (OPLAN) 34 A gestarteten Angriffe zu Lande bloß wirkungslose Nadelstiche gewesen seien, ganz wie McCone warnend vorhergesagt hatte. Die USA vermehrten infolgedessen ihre Kommandounternehmen von See aus und unterstellten sie dem CIA-Agenten Tucker Gougelmann, einem schlachtenerprobten Marineinfanteristen, der Jahre später der letzte amerikanische Kriegstote in Vietnam sein sollte. Zur Unterstützung seiner Truppen intensivierte Washington die Überwachung des Nordens. Unter dem Codenamen »Desoto« versuchte die Marine, mit Lauschangriffen hinter die verschlüsselten Mitteilungen des Feindes zu kommen – der Fachterminus lautet Fernmeldeaufklärung oder SIGINT. Jede dieser Missionen nahm ihren Ausgang in einer Blackbox von der Größe eines Containers, die auf dem Deck eines vor der vietnamesischen Küste dümpelnden Zerstörers festgezurrt war. Darin befanden sich Antennen und Monitore, an denen mindestens ein Dutzend Offiziere der Naval Security Group arbeiteten. Sie hörten das dienstliche Palaver der nordvietnamesischen Militärs ab, und die so gesammelten Daten wurden von der Nationalen Sicherheitsbehörde entschlüsselt und übersetzt.
Der Vereinigte Generalstab schickte die USS Maddox unter Captain John Herrick auf eine »Desoto«-Mission mit dem Ziel, nordvietnamesische Reaktionen auf die Kommandounternehmen »zu stimulieren und aufzuzeichnen«. Die Maddox hatte den Befehl, sich höchstens acht Seemeilen vom Festland oder vier Seemeilen von den nordvietnamesischen Küsteninseln entfernt im Golf von Tonking aufzuhalten. Die Vereinigten Staaten verweigerten in Vietnam die Anerkennung der internationalen Zwölfmeilenzone. Und so überwachte die Maddox in der letzten Juli- und der ersten Augustnacht 1964 einen Angriff auf die vor der mittleren Küste Nordvietnams im Golf von Tonking gelegene Insel Hon Me im Rahmen von OPLAN 34 A. Die Besatzung verfolgte den Gegenangriff des Nordens und beobachtete, wie sich mehrere mit Torpedos und Maschinengewehren ausgerüstete Küstenwachtschiffe sowjetischer Bauart
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