CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
»durch terroristische Aktivitäten mehrerer tausend Bewaffneter bedroht« sei, so der Präsident. Ohne amerikanische Hilfe »könnten sich die Unruhen auf den ganzen Nahen Osten ausdehnen«, in den Staaten Europas würde sich Verzweiflung breitmachen, und Finsternis werde sich auf die freie Welt herabsenken. Sein Credo beinhaltete etwas Neues: »Ich glaube, die Politik der Vereinigten Staaten muss darin bestehen, alle freien Völker zu unterstützen, die sich gegen den Versuch wehren, sie mit Hilfe bewaffneter Minderheiten oder durch Druck von außen zu unterjochen.« Jeder Angriff, den Feinde Amerikas in einem beliebigen Staat unternähmen, sei ein Angriff auf die USA selbst. Dies war die Truman-Doktrin. Der Kongress antwortete mit stehenden Ovationen.
In der Folge flossen Millionen Dollar nach Griechenland – begleitet von Kriegsschiffen, Soldaten, Feuerwaffen, Munition, Napalm und Spionen. Binnen kurzem wurde Athen zum weltweit größten Stützpunkt des US-Nachrichtendienstes. Trumans Entschluss, den Kommunismus in Übersee zu bekämpfen, war die erste klare Richtlinie, die die US-Spione vom Weißen Haus erhielten. Noch immer hatten sie keinen starken Mann an der Spitze. General Vandenberg zählte die Tage bis zur Übernahme der neuen Luftwaffe, aber als seine Zeit als Direktor des zentralen Nachrichtendienstes zu Ende ging, übergab er einigen Kongressabgeordneten geheime Zeugenaussagen, in denen behauptet wurde, die Nation habe es mit nie gekannten Bedrohungen aus dem Ausland zu tun. »Die Weltmeere sind geschrumpft, sodass Europa und Asien heute fast ebenso an die USA grenzen wie Kanada und Mexiko«, erklärte Vandenberg mit einer Wendung, die Präsident Bush unheimlicherweise nach dem 11.September 2001 wiederholt hat.
Im Zweiten Weltkrieg, so Vandenberg weiter, »mussten wir uns blind und vertrauensvoll auf den überlegenen Nachrichtendienst der Briten verlassen«, aber »es darf doch nicht sein, dass die Vereinigten Staaten mit dem Hut in der Hand losziehen und eine ausländische Regierung um die Augen ihrer Nachrichtendienstler bitten müssen, um etwas zu sehen«. Gleichwohl blieb die CIA später stets auf ausländische Dienste angewiesen, um Erkenntnisse über Länder und Sprachen zu gewinnen, die sie nicht verstand. Vandenberg beendete seine Erklärung mit dem Hinweis, man werde noch mindestens fünf weitere Jahre brauchen, um ein Team aus professionellen amerikanischen Spionen aufzubauen. Ein halbes Jahrhundert später, im Jahr 1997, wiederholte CIA-Direktor George J. Tenet diese Warnung Wort für Wort, und dann noch einmal bei seinem Rücktritt im Jahr 2004. Der große Spionagedienst lag immer fünf Jahre in der Ferne.
Vandenbergs Nachfolger, der dritte Amtsinhaber in 15 Monaten, war Rear Admiral Roscoe Hillenkoetter, der am 1.Mai 1947 vereidigt wurde. Hilly, wie alle ihn nannten, war eine Fehlbesetzung. Ihn umgab ein Hauch von Belanglosigkeit. Ganz wie seine Vorgänger wollte er nie Direktor des zentralen Nachrichtendienstes werden – »und hätte es vermutlich auch nie werden sollen«, wie es in einer historischen CIA-Studie über die Nachkriegszeit heißt.
Am 27.Juni 1947 führte ein Kongressausschuss geheime Anhörungen durch, auf die am Ende des Sommers die offizielle Gründung der CIA folgte. Es spricht Bände, dass nicht etwa Hillenkoetter, sondern Allen Dulles – ein frei praktizierender Anwalt – mit der Leitung eines Seminars über geheime Informationsgewinnung betraut wurde, an dem nur wenige ausgewählte Kongressmitglieder teilnahmen.
Allen Dulles besaß patriotisches Pflichtgefühl im Stile von »Vorwärts, Christi Streiter«. Geboren wurde er 1893 als Spross der angesehensten Familie von Watertown im Staat New York. Sein Vater war Pfarrer der dortigen Presbytergemeinde; Großvater und Onkel hatten beide als Außenminister amtiert. Präsident seiner Universität in Princeton war Woodrow Wilson, der dann Präsident der Vereinigten Staaten wurde. Nach dem Ersten Weltkrieg war Dulles Diplomat in untergeordneter Stellung, und zur Zeit der Weltwirtschaftskrise arbeitete er als elitärer Wall-Street-Anwalt. Dank seines an der Spitze des OSS in der Schweiz aufgebauten und sorgfältig gepflegten Rufes als amerikanischer Meisterspion galt er bei der republikanischen Führung als Direktor des zentralen Nachrichtendienstes im Exil – so wie sein Bruder John Foster, damals wichtigster außenpolitischer Sprecher der Partei, als Außenminister in Wartestellung gehandelt wurde. Allen war ein
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