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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Luftbrücke einrichteten, um die Blockade zu durchbrechen, saß Kennan viele Stunden im Krisenraum, damals das doppelt gesicherte Fernmeldezentrum für Überseeverbindungen im Erdgeschoss des State Department; und während Telegramme und Telexe als Blitzmeldungen aus Berlin eintrafen, litt er Höllenqualen.
    Die Berliner Operationsbasis der CIA hatte über ein Jahr lang erfolglos versucht, Informationen über die Rote Armee im besetzten Deutschland und in Russland zu sammeln und herauszufinden, welche Fortschritte Moskau in Sachen Atomwaffen, Jagdflieger, Raketen und biologische Kriegführung machte. Wenigstens hatte die CIA Agenten unter Berliner Polizeibeamten und Politikern – und vor allem eine Telefonleitung ins Hauptquartier des sowjetischen Nachrichtendienstes im Ostberliner Stadtteil Karlshorst. Besorgt hatte sie Tom Polgar, ein Ungarnflüchtling, der sich als einer der besten Mitarbeiter der CIA erwies. Polgar hatte einen Hausdiener und dieser wiederum einen Bruder, der in Karlshorst bei einem sowjetischen Offizier arbeitete. Kleine Köstlichkeiten wie gesalzene Erdnüsse wanderten von Polgar nach Karlshorst. Informationen wanderten zurück. Und Polgar hatte einen weiteren Agenten, eine Frau, die in der Kontaktstelle des Berliner Polizeipräsidiums zu den Sowjets am Fernschreiber arbeitete. Ihre Schwester war die Geliebte eines Polizeihauptwachtmeisters, der enge Beziehungen zu den Russen hatte. Das Liebespaar traf sich in Polgars Wohnung. »So kam ich zu Ruhm und Ehre«, erinnert er sich. Polgar lieferte entscheidende Geheiminformationen, die auch das Weiße Haus erreichten. »Während der Berlinblockade war ich absolut sicher, dass die Sowjets sich nicht vom Fleck rühren würden.« Von dieser Einschätzung sind die Berichte der CIA nie abgewichen: Weder das sowjetische Militär noch seine neuen ostdeutschen Verbündeten rüsteten sich für den Kampf. In jenen Monaten trug die Berliner CIA-Basis ihr Teil dazu bei, dass der Kalte Krieg kalt blieb.
    Wisner war zum heißen Krieg bereit. Er vertrat die Ansicht, die USA sollten sich mit Panzern und Artillerie den Weg nach Berlin freikämpfen. Seine Einfälle stießen auf Ablehnung, aber sein Kampfgeist kam an.
    Kennan hatte darauf bestanden, Geheimoperationen nicht von einem Kollektiv leiten zu lassen. Sie verlangten einen obersten Befehlshaber, der die volle Unterstützung des Pentagon und des Außenministeriums hatte. »Einer muss der Boss sein«, schrieb er. Forrestal, Marshall und Kennan waren der einhelligen Meinung, dieser Mann sei Wisner.
    Er war erst knapp vierzig und von trügerischer Höflichkeit. Als junger Mann hatte er gut ausgesehen, jetzt aber begann sein Haar sich zu lichten, und sein Alkoholdurst ließ Gesicht und Rumpf aufquellen. Aus der Kriegszeit brachte er eine knapp dreijährige Erfahrung als Spion und Pseudodiplomat mit. Jetzt sollte er aus dem Nichts einen Geheimdienst aufbauen.
    Nach den Worten von Richard Helms verzehrte sich Wisner vor »Eifer und Besessenheit, sodass er bestimmt unter abnormer Spannung stand«. Seine Leidenschaft für verdeckte Aktionen sollte Amerikas Stellung in der Welt für immer verändern.

4  »Das Aller geheimste«
    Frank Wisner übernahm die Leitung der amerikanischen Geheimaktionen am 1.September 1948. Sein Auftrag: die Sowjets hinter die früheren Grenzen Russlands zurückdrängen und Europa aus der Hand der Kommunisten befreien. Seine Kommandostelle war eine zerfallende wellblechgedeckte Baracke in einer langen Reihe provisorischer Gebäude des Kriegsministeriums, die das spiegelblanke Wasserbecken zwischen Lincoln-Gedenkstätte und Washington-Denkmal säumten. Ungeziefer wuselte auf den Fluren umher. Seine Männer bezeichneten die Baracke nur als den Rattenpalast.
    Er arbeitete wie ein Wahnsinniger, schuftete mindestens zwölf Stunden pro Tag, sechs Tage in der Woche, und dasselbe verlangte er von seinen Beamten. Nur selten teilte er dem CIA-Direktor mit, was er tat. Er allein pflegte zu entscheiden, ob seine Geheimaufträge mit der amerikanischen Außenpolitik übereinstimmten.
    Binnen kurzem war seine Organisation größer als die gesamte übrige CIA zusammengenommen. Die verdeckten Operationen wurden zum wichtigsten Faktor der Agency – mit den meisten Leuten, dem meisten Geld, der meisten Macht – und blieben es mehr als zwanzig Jahre lang. Der gesetzlich festgelegte Auftrag der CIA lautete, sie habe den Präsidenten mit den für die nationale Sicherheit der USA unverzichtbaren

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