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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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geheimdienstlichen Erkenntnissen zu versorgen. Aber zur Spionage fehlte Wisner die Geduld, es fehlte ihm die Zeit, die man für das Sichten und Prüfen geheimer Botschaften braucht. Wie viel leichter, einen Staatsstreich zu planen oder einen Politiker zu bestechen, als das Politbüro zu unterwandern – und nach Wisners Ansicht: wie viel dringlicher.
    Nach einem Monat hatte Wisner schon Schlachtpläne für die nächsten fünf Jahre entworfen. Er gründete einen multinationalen Medienkonzern für Propaganda. Er begann, mittels Geldfälscherei und Marktmanipulation einen Wirtschaftskrieg gegen die Sowjets zu führen. Er gab Millionen für den Versuch aus, in vielen Hauptstädten der Welt das politische Gleichgewicht zu verändern. Er wollte unzählige Exilanten – Russen, Albaner, Ukrainer, Polen, Ungarn, Tschechen, Rumänen – für bewaffnete Widerstandsgruppen anwerben, die hinter den Eisernen Vorhang vordringen sollten. Wisner war der Ansicht, in Deutschland seien 700 000 Russen gestrandet, die mitmachen könnten. Aus ihren Reihen wollte er tausend Mann für politische Stoßtrupps rekrutieren. Er fand siebzehn.
    Auf Anweisung von Forrestal schuf Wisner Agentennetze aus Ausländern, die im Rücken des Feindes bereitstehen und in den ersten Tagen des Dritten Weltkrieges gegen die Sowjets kämpfen würden. Ihre Aufgabe wäre es, den Vormarsch mehrerer hunderttausend Soldaten der Roten Armee nach Westeuropa zu bremsen. Er forderte Waffen und Munition sowie Sprengkörper, die überall in Europa und dem Nahen Osten in Geheimverstecken lagern und dazu dienen sollten, bei einem sowjetischen Vormarsch Brücken, Nachschublager und arabische Ölfelder in die Luft zu sprengen. General Curtis LeMay, der damals gerade an die Spitze des Strategischen Luftwaffenkommandos aufgestiegen war und in dessen Hand die Kontrolle der amerikanischen Atomwaffen lag, wusste, dass seine Bomber nach dem Abwurf ihrer Ladung auf Moskau nicht mehr genug Benzin haben würden, so dass Piloten und Besatzung auf dem Rückflug irgendwo östlich des Eisernen Vorhangs abspringen müssten. LeMay bat Wisners rechte Hand Franklin Lindsay, auf sowjetischem Territorium eine Fluchtroute mit mehreren Stationen anzulegen, über die seine Männer auf dem Landweg entkommen könnten. Colonels der Luftwaffe blafften ihren Partnern in der CIA Kommandos zu: Klauen Sie einen sowjetischen Kampfbomber, wenn möglich mitsamt Pilot, in einen Seesack gestopft; bringen Sie Agenten mit Funkgeräten auf jeden Flugplatz zwischen Berlin und dem Ural; machen Sie bei der ersten Kriegswarnung alle militärischen Startbahnen in der Sowjetunion unbrauchbar. Das waren keine Bitten, sondern Befehle.
    Was Wisner vor allem brauchte, waren Tausende amerikanischer Spione. Die fieberhafte Talentsuche war damals wie heute ein ständiges Problem. Er unternahm eine Rekrutierungstour vom Pentagon über Park Avenue bis Yale, Harvard und Princeton, wo Professoren und Repetitoren gegen Geld nach geeigneten Kräften Ausschau halten mussten. Er engagierte Anwälte, Bankleute, junge Collegeabsolventen, alte Schulfreunde, Kriegsveteranen ohne feste Beschäftigung. »Sie holten die Leute von der Straße«, so der CIA-Mann Sam Halpern, »jeden, der warmes Blut in den Adern hatte, der ja und nein sagen oder Arme und Beine bewegen konnte.« In nur sechs Monaten wollte Wisner mindestens 36 Überseebüros eröffnen; er schaffte 47 in drei Jahren. Fast jede Stadt, in der sich Wisner mit seiner CIA niederließ, hatte zwei Dienststellenleiter – einen, der für ihn selbst in Sachen Geheimaktionen, und einen, der für das CIA-Büro für Sonderoperationen (OSO) in Sachen Spionage arbeitete. Es konnte kaum ausbleiben, dass sie sich gegenseitig austricksten und die Agenten klauten, dass jeder darum kämpfte, die Oberhand zu behalten. Aus dem Büro für Sonderoperationen warb Wisner hunderte Mitarbeiter ab, weil er ihnen höhere Gehälter bot und mehr Lorbeeren versprach.
    Beim Pentagon und dessen Militärbasen in den Besatzungszonen Europas und Asiens requirierte er Flugzeuge, Waffen, Munition, Fallschirme und zusätzliche Uniformen. Binnen kurzem verfügte er über einen Lagerbestand im Wert von einer Viertelmilliarde Dollar. »Wisner konnte bei jeder beliebigen Regierungsbehörde Personal und jede gewünschte Unterstützung erbitten«, so James McCargar, den Wisner als einen der Ersten ins Büro für politische Koordination (OPC) holte. »Die CIA war ja eine öffentlich bekannte Behörde, deren Operationen

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