CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
größten Gewerkschaften in Frankreich und Italien zu brechen; Kennan höchstpersönlich genehmigte diese Operationen. Für die erste, die Ende 1948 stattfinden sollte, wählte Wisner zwei tüchtige Arbeiterführer: Jay Lovestone, ehemaliger Vorsitzender der Kommunistischen Partei Amerikas, und Irving Brown, seinen ergebenen Gefolgsmann; beide waren engagierte Antikommunisten, deren Gesinnungswandel auf die erbitterten ideologischen Kämpfe der dreißiger Jahre zurückging. Lovestone war Geschäftsführer im so genannten Free Trade Union Committee, einem Ableger des amerikanischen Gewerkschaftsbundes AFL; Brown war sein Hauptvertreter in Europa. Beide Männer sorgten im Auftrag der CIA für die Aushändigung kleiner Vermögen an gewerkschaftliche Gruppierungen, die von den Christdemokraten und der katholischen Kirche unterstützt wurden. Schmiergeldübergaben in den schmuddeligen Häfen von Marseille und Neapel stellten sicher, dass amerikanische Waffen und militärische Ausrüstung von freundlich gesinnten Hafenarbeitern entladen wurden. Geld und Macht der CIA flossen auch in die bestens geschmierten Hände korsischer Gangster, die wussten, wie man einen Streik mit dem Einsatz der Fäuste beendet.
Zu Wisners vornehmeren Aufgaben gehörte das Plazet zu einer esoterischen Gesellschaft, die 20 Jahre lang eine einflussreiche CIA-Tarnorganisation bildete und den Namen »Kongress für kulturelle Freiheit« trug. Was ihm dabei vorschwebte, war »ein riesiges Projekt speziell für die Intellektuellen – wenn man so will, ›der Kampf um Picassos Bewusstsein‹« – so die elegante Formulierung des CIA-Beamten Tom Braden, OSS-Veteran und regelmäßiger Gast bei den Sonntagabend-Mahlzeiten. Hier wurde Krieg mit Worten geführt, und die Waffen waren kleine Zeitschriften, Taschenbücher und Kongresse mit idealistischen Zielen. »Ich glaube«, so Braden, »in meinem Jahr als Vorsitzender hatte der Kongress für kulturelle Freiheit einen Etat von 800 000 bis 900 000 Dollar.« Er enthielt auch das Startkapital für die anspruchsvolle Monatsschrift Encounter , die in den fünfziger Jahren einigen Wirbel auslöste, obgleich sie nicht mehr als 40 000 Exemplare pro Ausgabe verkaufte. Derlei Missionsarbeit hatte besonderen Reiz für die neu zur CIA gestoßenen Geisteswissenschaftler. Sie bot ihnen ein schönes Leben in Paris oder Rom, wo sie eine kleine Zeitschrift herausgaben oder einen Verlag betrieben – das Auslandssemester der US-Nachrichtendienstler.
Doch Wisner, Kennan und Allen Dulles fanden ein weitaus besseres Mittel, um sich den politischen Eifer und die intellektuellen Kräfte osteuropäischer Exilanten zunutze zu machen und auf die andere Seite des Eisernen Vorhangs zurückzuleiten: »Radio Freies Europa«. Die Planungen begannen schon um die Jahreswende 1948/49, aber es dauerte zwei ganze Jahre, bis die ersten Sendungen über den Äther gingen. Zusätzlich gründete Dulles das »Nationalkomitee für ein freies Europa«, eine der vielen Tarnorganisationen der CIA in den Vereinigten Staaten. Im Vorstand des Gesamtverbandes »Freies Europa« saßen neben General Eisenhower auch Henry Luce, Vorstandsvorsitzender von Time , Life und Fortune , und der Hollywood-Produzent Cecil B. DeMille – alle drei rekrutiert von Dulles und Wisner, um die tatsächliche Führungsriege zu tarnen. Die Radiosendungen wurden in der Folge zu einer mächtigen Waffe der politischen Kriegführung.
»Erhitzt vor Verwirrung«
Wisner rechnete fest damit, dass Allen Dulles nächster CIA-Direktor werden würde. Dulles auch.
Anfang 1948 wandte sich Forrestal an Dulles mit der Bitte, in einer Geheimstudie die strukturellen Schwachpunkte der CIA zu prüfen. Als der Tag der Präsidentschaftswahlen näher rückte, legte Dulles letzte Hand an den Bericht, der ihm als Antrittsrede vor der Organisation dienen sollte. Er vertraute darauf, dass Truman dem Republikaner Thomas Dewey unterliegen und der neue Präsident ihn auf seinen angestammten Platz heben würde.
Der Bericht, der 50 Jahre lang der Geheimhaltung unterlag, war eine detaillierte, erbarmungslose Anklageschrift. Anklagepunkt eins: Die CIA sondert Unmengen von Papier ab, auf dem, wenn überhaupt, nur wenige Fakten über die Bedrohung durch die Kommunisten zu finden sind. Anklagepunkt zwei: Die CIA hat keine Spione in der Sowjetunion und ihren Satellitenstaaten. Anklagepunkt drei: Roscoe Hillenkoetter ist als Direktor eine Niete. Dem Bericht zufolge war die CIA noch längst kein
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