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CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)

Titel: CIA: Die ganze Geschichte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Weiner
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Zentralen Nachrichtendienstes besprochen werde. Bush und Tenet hatten keine solchen Gebrechen. Das Problem lag in dem Mangel an klaren Auskünften auf Seiten der CIA und dem Mangel an Aufmerksamkeit auf Seiten des Weißen Hauses. Es genügt nicht, Alarm zu schlagen, pflegte Richard Helms zu sagen, man muss auch sicherstellen, dass der andere ihn hört.
    Der Lärm – die Lautstärke und die Häufigkeit von bruchstückhaften und unbestätigten Nachrichten über eine bevorstehende terroristische Attacke – war ohrenbetäubend. Tenet vermochte nur dem Präsidenten kein eindeutiges Warnsignal zu geben. Als das Getöse im Frühjahr und im Sommer 2001 immer lauter wurde, strengte sich die CIA bis zum Äußersten an, um ein klares Bild von der Gefahr zu bekommen. Warnungen strömten aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten, aus Jordanien, Israel und aus ganz Europa herein. Die lädierten Schaltkreise der CIA waren gefährlich überlastet. Ständig kamen neue Hinweise. Sie werden Boston angreifen. Sie werden London angreifen. Sie werden New York angreifen. Clarke schickte am 29.Mai eine E-Mail an Rice: »Wenn diese Angriffe kommen, was durchaus wahrscheinlich ist, werden wir uns fragen, was wir noch hätten tun können, um sie zu verhindern.«
    Die CIA befürchtete einen Angriff im Ausland während des Feiertags am 4.Juli, wenn die amerikanischen Botschaften weltweit ihre Sicherheitsmaßnahmen herunterfahren und ihre Türen für die Feier zum Gedenken an die amerikanische Revolution öffnen. Während der Wochen zuvor hatte Tenet die Leiter des Auslandsnachrichtendienstes in Amman, Kairo, Islamabad, Rom und Ankara aufgefordert, sowohl bekannte als auch in Verdacht stehende Al Qaida-Zellen und ihre Verbindungen auf der ganzen Welt nach Möglichkeit unschädlich zu machen. Die CIA wollte die Informationen liefern, und die Auslandsdienste sollten die Festnahmen durchführen. Eine Handvoll Personen, die man des Terrorismus verdächtigte, wurden in den Golfstaaten und in Italien ins Gefängnis gesteckt. Es könne sein, dass diese Festnahmen die Pläne für einen Angriff gegen zwei oder drei amerikanische Botschaften durchkreuzt hätten, erklärte Tenet dem Weißen Haus. Vielleicht auch nicht. Wer wisse das schon.
    Tenet musste jetzt eine Entscheidung über Leben und Tod fällen, die viel brisanter war als jene, mit denen die früheren Leiter des Nachrichtendienstes konfrontiert gewesen waren. Ein Jahr zuvor, nach einem siebenjährigen Streit zwischen der CIA und dem Pentagon, hatte man ein kleines, unbemanntes Flugzeug, das mit Videokameras und mit für die Spionage entwickelten Sensoren bestückt war und den Namen »Predator« bekommen hatte, für den Einsatz über Afghanistan freigegeben. Der erste Flug hatte am 7.September 2000 stattgefunden. Nun hatten die CIA und die Luftwaffe ausgeknobelt, wie man »Predator« mit Antipanzerraketen bestücken konnte. Mit einer Investition von ein paar Millionen Dollar würde ein CIA-Mitarbeiter in der Zentrale demnächst theoretisch in der Lage sein, Bin Laden am Videobildschirm mit einem Joystick zu jagen und zu töten. Aber, fragte sich Tenet, wie sah es mit der Befehlskette aus? Wer würde den Ausgangsbefehl geben? Wer würde schießen? Tenet war der Ansicht, dass er nicht die Lizenz zum Töten habe. Die Vorstellung, dass die CIA auf eigene Faust ein Attentat per Fernbedienung startete, erschreckte ihn. Man hatte in der Vergangenheit schon zu viele Fehler beim Zielschießen gemacht.
    Am 1.August 2001 entschied der Stellvertreterausschuss – die zweite Riege der nationalen Sicherheitsmannschaft – dass eine Tötung Bin Ladens durch die CIA und mit Hilfe des »Predator« legal, nämlich ein Akt nationaler Selbstverteidigung sei. Aber die CIA hatte weitere Fragen. Wer zahlte? Wer bestückte das Flugzeug mit Raketen? Wer kontrollierte den Flug? Wer übernahm die Fernsteuerung und wer die Rolle des Schützen? Dieses Gezerre machte den Antiterrorismuskämpen Clarke wahnsinnig. »Entweder Al Qaida ist eine Gefahr, der man begegnen muss, oder sie ist es nicht«, wetterte er. »Die CIA muss sich entscheiden, was von beidem gilt, und mit diesem Hin und Her aufhören.«
    Die CIA hatte nie Bushs Frage, ob ein Angriff innerhalb der Vereinigten Staaten erfolgen könne, beantwortet. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen: Am 6.August trug das tägliche Bulletin für den Präsidenten die Überschrift »Bin Laden entschlossen, in USA zuzuschlagen«. Die Warnung, die unter dieser Überschrift zu lesen war,

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