CIA: Die ganze Geschichte (German Edition)
gegenüber anderen Regierungsstellen – und zumal den in scharfer Konkurrenz zu ihr stehenden militärischen Nachrichtendiensten – beim besten Willen nicht einräumen darf, dass sie unfähig ist, Erkenntnisse über Nordkorea zu beschaffen«. Überbringer der Botschaft war Loftus Becker, der stellvertretende Direktor für Nachrichtenverarbeitung. Nachdem Bedell Smith ihn im November 1952 auf Inspektionsreise zu sämtlichen CIA-Büros in Asien geschickt hatte, kehrte er zurück und reichte seinen Rücktritt ein. Er war zu dem Schluss gelangt, dass die Situation hoffnungslos sei: Das Potenzial der CIA, in Fernost Informationen zu sammeln, war »nahezu null«. Noch vor seinem Rücktritt übte er scharfe Kritik an Frank Wisner. »Aufgeflogene Operationen«, so ließ er ihn wissen, »sind Indiz für fehlenden Erfolg, und in letzter Zeit gab es nicht wenige davon.«
Harts Berichte und Haneys Betrügereien wurden unter den Teppich gekehrt. Die CIA war in einen Hinterhalt geraten und hatte das als strategischen Kunstgriff ausgegeben. Dulles teilte Mitgliedern des Kongresses mit, dass »die CIA nicht wenige Widerständler in Nordkorea kontrolliert«, so James G. L. Kellis, Colonel der Luftwaffe, der für Wisner die paramilitärischen Operationen leitete. Damals aber hatte Dulles bereits die Warnung erhalten, dass »die ›CIA-Guerillakämpfer‹ in Nordkorea vom Feind gesteuert wurden«; in Wirklichkeit »besaß die CIA keine derartigen Einsatzkräfte«, sondern »die CIA wurde an der Nase herumgeführt« – so Kellis in einem Brief, den er nach Kriegsende an das Weiße Haus schickte und in dem er auspackte.
Das Geschick, Versagen als Erfolg darzustellen, war schon bald CIA-Tradition. Ihre mangelnde Bereitschaft, aus Fehlern zu lernen, wurde zum festen Bestandteil ihrer Arbeitsform. Niemals haben die Leiter der CIA-Geheimoperationen Studien unter dem Motto »Was haben wir gelernt?« verfasst. Selbst heute gibt es – wenn überhaupt – nur wenige Regeln oder Methoden, nach denen sie angefertigt werden könnten.
»Uns allen ist klar, dass unsere Operationen in Fernost weit entfernt sind von dem, was wir gern hätten«, so Wisners Eingeständnis bei einer Dienstbesprechung in der Zentrale. »Wir hatten einfach nicht die Zeit, um uns Leute in solcher Zahl und von solchem Zuschnitt heranzuziehen, wie wir sie brauchen, um mit Erfolg die schweren Aufträge durchzuführen, die uns auferlegt sind.« Die Unfähigkeit, Nordkorea zu unterwandern, bleibt der auf lange Sicht folgenreichste nachrichtendienstliche Fehlschlag in der Geschichte der CIA.
»Einige Leute müssen dran glauben«
Im Koreakrieg eröffnete die CIA 1951 eine zweite Front. Die Beamten des Einsatzstabes für die China-Operationen gerieten über Maos Kriegseintritt in helle Aufregung und redeten sich ein, dass im Innern Chinas mindestens eine Million Guerillakämpfer der nationalistischen Kuomintang auf die Hilfe der CIA warteten.
Kamen diese Berichte aus der »Papier«produktion in Hongkong, waren sie das Ergebnis eines politischen Komplotts in Taiwan, oder hatte das Wunschdenken in Washington sie herbeigezaubert? War es klug, dass die CIA sich auf einen Krieg gegen Mao einließ? Zum Nachdenken über solche Fragen fehlte die Zeit. »Für diese Art Krieg«, so Bedell Smith zu Dulles und Wisner, »haben Sie keine Strategie, die von der Regierung grundsätzlich gebilligt worden wäre. Wir haben nicht einmal eine politische Linie gegenüber Tschiang Kai-schek.«
Dulles und Wisner schufen sich ihre eigene. Zuerst versuchten sie, Amerikaner dafür zu gewinnen, mit dem Fallschirm über dem kommunistischen China abzuspringen. Einer der Bewerber, Paul Kreisberg, war ganz versessen auf eine Mitarbeit in der CIA, bis zu dem Moment, als »sie meine Loyalität und mein Engagement testen wollten und mich fragten, ob ich bereit sei, über Szetschuan abzuspringen. Dort solle ich eine Gruppe antikommunistischer Kuomintang-Soldaten organisieren, die in den Bergen Szetschuans versteckt seien, mit ihnen eine Reihe von Operationen durchführen und mich dann, wenn nötig, über Birma verdrücken. Sie sahen mich an und fragten: ›Wären Sie bereit, das zu machen?‹« Kreisberg überlegte es sich und ging ins Außenministerium. Mangels amerikanischer Freiwilliger setzte die CIA Hunderte angeworbener chinesischer Agenten über dem Festland ab, und zwar oftmals aufs Geratewohl, mit dem Auftrag, sich bis zu einem Dorf durchzuschlagen. Wurden sie dann vermisst, zählte man sie zu den
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