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Ciao, Don Camillo

Ciao, Don Camillo

Titel: Ciao, Don Camillo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Guareschi
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die Leute alle gezwungen, hinauszugehen, und das war ein Chaos. Und dann gab es auch noch das Unglück mit dem Pianisten, der nichts verstand. Schließlich klappte alles aber doch, und die Leute durften in den Saal zurück.
    Peppone hatte sich einen schönen schwarzen Anzug ausleihen müssen, in dem er schier platzte. Als die Musikkapelle auf dem Platz die Nationalhymne spielte, schritt er zur Bühne vor und führte mit einer majestätischen Geste Anteo Bigatti ein, der einen vorzüglich sitzenden Frack des besten Schneiders vom Piccadilly trug. Der Applaus war furchterregend. Anteo verbeugte sich lächelnd, wie er es getan hätte, wenn er statt im Saal seines Dorfs auf der Bühne der Metropolitan Opera gestanden hätte.
    Peppone wickelte eine gewaltige Rede ab, die mit den Worten schloß: »Und jetzt möchten wir, daß der große Anteo Bigatti, unser großer Anteo, bevor er zu singen beginnt, ein paar Worte an seine Freunde richten möge.«
    Die Sache war Anteo schrecklich unangenehm, und nachdem er ziemlich lange gezögert hatte, ging er ins Proszenium und sagte mit gleichgültiger Stimme:
    »Ich singe für Euch>Celeste Aidac.«
    Die Leute schwiegen und betrachteten Anteo Bigatti, der langsam die statuengleiche Pose der göttlichen Stimme einnahm, die dabei ist, der schmutzigen und stinkenden Welt einen der wundervollen Juwelen aus ihrem Schrein zu schenken.
    Alles geschah unter völligem Schweigen. Einem fast übernatürlichen Schweigen. Anteo Bigatti war bereit, und der riesige Brillant an seinem Finger explodierte mit tausend Strahlen.
    Das Klavier leitete ein. Die Lippen Anteos öffneten sich. Die Stimme trat heraus, und die Leute waren wie erschrocken. Sie hielten den Atem an, aus Angst, die Luft zu trüben, in der sich jener silberne Gesangsfaden spannte. Und nachdem er sich gespannt hatte, begann er in langsamen Drehungen allmählich hochzusteigen, bis er dann die ersten Sterne am Himmel erreichte und dort einen Augenblick verweilte, um einen Schwung zu holen, der ihn auf die Spitze des Unendlichen gebracht hätte. Und an dieser Stelle brach unerbittlich und unmißverständlich ein gewaltiger und fürchterlicher Mißton aus.
    Ein atomarer Mißton, der Anteo Bigatti erschreckte und den Leuten das bißchen Atem nahm, das ihnen geblieben war.
    Aber das war nur die Frage einer Zehntelsekunde. Sogleich brüllte eine Stimme los:
    »Emporio, geh und sing in Argentinien!«
    Und hundert weitere platzten los:
    »Pitacio, geh zu Bett!«
    »Pitacio!… Pitacio!… Pitacio!«
    Es war so etwas wie eine Rebellion, ein Aufstand, eine Revolution. Es war ein wilder unbarmherziger Aufschrei. Ein wütendes Zischen von hundert Dampfdruckkesseln.
    Dann spritzte ein Lachstrahl mitten im Saal hoch, und andere Lachstrahlen schossen ein wenig überall hoch, bis das Lachen ein reißender Fluß wurde. Anteo Bigatti erblaßte und blieb eine Weile unbeweglich stehen, dann schlüpfte er durch die kleine Bühnentür und verschwand. Wenige Minuten später betrat er den Gasthof.
    »Armer Emporio Pitacio, jetzt haben sie dir wohl Magerschinken und Gurke gegeben!« schrie ihm grinsend der Wirt nach.
    Anteo Bigatti packte nicht einmal die Koffer. Mit Hilfe des Chauffeurs und des Sekretärs raffte er planlos seine Sachen zusammen und warf sie ins Auto. Der riesige Buick setzte sich in Bewegung und verschwand eilig im Nebel.
    Es war neun Uhr. Die Leute setzen ihr Lachen bis ein Uhr fort, dann gingen alle zu Bett, weil sie es vor lauter Lachen nicht mehr aushielten. Um halb zwei platzte und verlosch der letzte »Pitacio«-Schrei, und um zwei Uhr versank das Dorf in bleischweren Schlaf.
    Der Hauptplatz war menschenleer. Die Lampen bewegten sich nicht, weil kein Windhauch wehte. Um Viertel nach zwei huschte ein riesiges schwarzes Gespenst bis zum Ende des Platzes und blieb dort stehen. Ein Mann stieg aus dem Schatten des Gespensts, und als er zur Mitte des Platzes kam, blieb er wieder stehen.
    Plötzlich durchschnitt eine sehr hohe Stimme wie mit einer Klinge die Stille. Und die Stimme wurde immer kräftiger, bis sie ein voll entfalteter Gesang wurde. Ein Gesang, der schnell den Laubengang um den Platz herum durchlief, dann bis zum Himmel und die Nacht erfüllte.
    Alle erwachten, öffneten die Fenster und betrachteten verwundert durch den offenen Spalt der Jalousien Emporio Pitacio, der zurückgekommen war und nun mitten auf dem menschenleeren Platz sang.
    Eine, zwei, fünf, zehn Arien; eine nach der anderen, eine schwieriger als die andere, und die

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