Ciao, Don Camillo
weder betrieben, um Pfannen und Spieße mit Wild zu füllen, noch aus barbarischer Lust am Töten der armen Tierchen.
Für Ful begann die Zeit seiner illegalen Tätigkeit. Er blieb tagelang ruhig und brav. Kaum hörte er jedoch den bekannten Pfiff, zischte er zur Wiese hinter der Kirche los, und niemand und nichts konnte ihn mehr zurückhalten. Schließlich war Don Camillo gekränkt, und er setzte Ful vor die Tür:
»Mein Haus betrittst du so lange nicht, bis du damit aufhören wirst, dich so schamlos zu benehmen«, hatte er ihm gesagt und ihm dabei einen Fußtritt verpaßt. Aber Ful gefiel das letztlich, denn diese Unabhängigkeit erleichterte ihm seine Geschäfte sehr.
Inzwischen hatte sich der Junge in den Kopf gesetzt, einen Fasan herunterzuholen.
»Ich habe genug von diesem Kleinviehzeug«, erklärte er Ful. »Ich will auf etwas Ernsthaftes schießen. Wir müssen einen Fasan finden. Wenn ein Jäger keinen Fasan schießt, dann ist er kein Jäger.« Ful versuchte alles, um einen Fasan aufzuspüren. Aber auch wenn man der Weltmeister der Jagdhunde war, wie konnte man einen Fasan aufspüren, wenn keiner da war?
Doch die Fasane gab es, und gar nicht so weit weg. Man mußte nur ins Revier gehen, ein Loch in den Drahtzaun machen und hineinschlüpfen. Dort gab es Hunderte von Fasanen. Aber im Revier waren drei Jagdaufseher, und mit Jagdaufsehern ist nicht zu scherzen.
Die Aussicht, einen Fasan herunterzuholen, war jedoch so schön, daß eines Tages (an einem gut gewählten Tag, denn es gab jenen leichten Halbnebel, der genügt, um nicht gesehen zu werden, und der die Flinte mit Watte überdeckt) der Junge und Ful sich also vor dem Drahtzaun des Reviers befanden.
Der Junge hatte eine Zange bei sich. Er legte sich auf den Boden und schnitt soviel vom Netz heraus, wie nötig war, um ihn und Ful hindurchschlüpfen zu lassen.
Sie schlüpften hindurch, warfen sich ins Gebüsch und mußten nicht lange suchen. Der Junge schoß, und der Fasan kam wie eine bleierne Katze herunter, doch kaum berührte er den Boden, fand er noch die Kraft zu einem kleinen Flug und verendete dann in einem Gebüsch.
Ful war gerade dabei, loszustürmen, als er hörte, wie der Junge ihn zurückrief. Jemand lief zwischen den Bäumen und näherte sich, und man hörte ihn rufen: »Halt, stehengeblieben!« Der Junge rannte mit gesenktem Kopf wie der Blitz los, und Ful ihm nach.
Die Aufregung und der Nebel ließen den Jungen ein wenig die Orientierung verlieren, so daß er etwas weiter rechts vom Loch zum Drahtzaun kam. Er bemerkte es zu spät und verlor Zeit. Als er das Loch gefunden hatte und sich bücken wollte, nagelte ihn der Schuß des Jagdaufsehers fest. Er fiel um ohne einen Laut. Obgleich er spürte, wie er seine Kräfte verlor, versuchte er dennoch, durch das Loch hinauszuschlüpfen. In diesem Augenblick kam der Jagdaufseher herbei und legte die Flinte an. Ful stellte sich vor den Jungen, knurrte und zeigte dem Mann die Zähne. Der Mann hielt inne, und als er den Jungen blutend am Boden sah, erblaßte er.
Inzwischen versuchte der Junge noch immer, sich hinauszuschleppen, und scharrte mit den Händen am Boden. Ohne den Jagdaufseher aus den Augen zu lassen, stieg der Hund durch das Loch und half dem Jungen hinaus, indem er ihn am Kragen seiner Jacke packte und wie ein Traktor an ihm zog. Der Jagdaufseher blieb eine Weile verdattert stehen, dann rannte er davon und verschwand im Wald.
Der Junge war jetzt außerhalb des Drahtzauns, aber er lag regungslos, und es schien sogar, daß er nicht mehr atmete. Da rannte Ful hin und her und heulte wie die Seele eines Verdammten. Doch es war niemand da, und Ful eilte wie der Blitz ins Dorf.
Don Camillo war in der Kirche und taufte gerade ein Kind. Ful kam herein, schnappte ihn an der Soutane und zerrte ihn zur Tür. Er war kein Hund mehr, sondern ein Löwe, und Don Camillo war gezwungen, ihm zu folgen, um ihm nicht die ganze Soutane zwischen den Zähnen zu überlassen.
An der Tür ließ Ful locker, lief eilig voraus, blieb stehen und bellte. Er kehrte zurück und faßte Don Camillo noch einmal an der Soutane und zerrte ihn nochmals mit. Dann ließ er ihn und entfernte sich im schnellen Lauf. Diesmal folgte ihm Don Camillo, und er hatte noch das Meßgewand an und das Meßbuch in der Hand. Und wie Don Camillo so im Laufschritt auf der Hauptstraße vorbeikam, traten Leute aus den Häusern und schlossen sich ihm an.
Don Camillo trug den Jungen auf seinen Armen zurück ins Dorf, und ein langer Zug
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