Ciao Mayer
viel her und wären kitschig genug, um jedes Mutterherz zum Glühen zu bringen.
Das mochte ja so sein, aber Massimo sah keine Murano-Artikel. Strümpfe, Männerhemden, BHs, Plastikspielzeug – aber kein Murano. Schließlich fragte er einen der überwiegend indischen - oder paktistanischen? - Verkäufer. Er hatte eigens einen ausgewählt, der ihm besonders intelligent schien. Aber der verstand gar nichts.
„Murano?“
Immerhin war er so intelligent, Massimos IQ-Schnell-Testblick hatte also vielleicht doch funktioniert, das seltsame Wort den indischen - oder paktistanischen? - Kollegen an den Ständen rechts und links zuzurufen.
„Murano?“
Einer, mit sehr dunklem Gesicht und eher unterdurchschnittlicher Intelligenz, wie Massimos Messapparat registrierte, wies die Straße hinunter und rief in bestem Italienisch: „Am Ende der Straße, links der vorletzte Stand!“
So war es. Kluger Inder. - Oder Pakistani?
Furchtbare Teile, schien es Massimo anfangs, als er das Murano-Angebot betrachtete. Rot und blau oder schreiend bunt, dickes Glas, hauchdünnes Glas, mit Kelch oder Schale, mit Gravuren oder sogar mit einem Rand aus aufgeklebtem Halbedelstein-Bruch.
Etwas in ihm weigerte sich, die Scheußlichkeiten zu kaufen und sie seiner Mutter zu schenken. Aber was tun? Die Chance, andernorts ein anderes Geschenk zu suchen hatte er gar nicht mehr. Zu spät. Und was denn auch? Der MP3-Player vom letzten Jahr, der ihm so gut gefallen hatte, war ein totaler Flop gewesen. Seine Mutter hatte sich höflich bedankt und versichert, dass sie sich freut. Und nach ein paar Wochen hatte sie ihm das Ding in der Originalverpackung in die Hand gedrückt und gesagt, das sei doch eher etwas für ihn als für sie. Selbst die Erinnerung daran berührte ihn wieder peinlich.
Das war ja stets das Problem beim Schenken: Wem musste das Präsent gefallen? Dem Beschenkten, dem Schenkenden, beiden?
Gab es einen Kompromiss, bei dem der Schenkende sich nicht völlig verleugnen musste und der Beschenkte gleichwohl noch das für ihn Passende bekam? Oder lag die Wertschätzung, die Zuneigung für den anderen gerade darin, dass man ihm etwas übergab, was nur diesem Empfänger gefiel, den Absender aber geradezu anwidern konnte?
Mental gestärkt und philosophisch aufgerüstet betrachtet Massimo einzelne Stücke im Meer der Hässlichkeit mit neuen Augen.
Schließlich wählte er sechs zartblaue Gläser mit ziseliertem Goldrand. Nachdem er sich entschieden hatte, fand er die Kunstwerke plötzlich sogar ganz passabel, wenn nicht sogar eigentlich ganz schön. Aber nur diese, der Rest blieb unerträglich. Den Preis handelte er von vierzig auf vierundzwanzig Euro runter.
Für einen weiteren Euro besorgte der Händler bei einem benachbarten Stand Geschenkpapier - große rote Rosen auf goldenem Grund - und verpackte den Karton mit den sechs Gläsern fachmännisch.
Blumen. Ein kleines, buntes Biedermeier-Sträußchen, wie es seine Mutter mochte, fand er eine Ecke weiter, auf dem Weg zur Via Giulio Cesare. Dort nahm er erst einmal einen Kaffee. Wow, dachte er, ein harter Tag. Aber das Anstrengendste wäre geschafft!
Er irrte.
*
Er startete die Vespa und fuhr in leichtem Zickzack los, das Geschenkband vom Murano-Päckchen und den Blumenstrauß in der linken Hand, den Mopedlenker in der rechten. Bis zur Via Ostia war es ja nicht weit, beruhigte sich Massimo wegen seines Handicaps. Aber schon nach zwei-, dreihundert Metern ruckelte und zuckelte die Vespa ein paar mal, gab seltsame Töne von sich und blieb stehen.
Massimo balancierte das instabile Zweirad mit dem linken Fuß am Boden aus, hielt Mamas Geschenk krampfhaft in der linken, den Lenker in der rechten Hand und war ratlos.
Dann sah er das gelbe Licht auf der Tankuhr und den Zeiger. Der stand auf Null.
Mist, kein Sprit, schloss Massimo daraus und wusste auch gleich, dass die nächste Tankstelle am Lungotevere war. Nicht weit! Vielleicht zwei Kilometer. Aber unter erschwerten Bedingungen.
Murano-Gläser und Blumen konnte er schlecht auf den Gepäckträger klemmen. Das hieß: einhändig schieben. Dabei galt es, den Körper möglichst weit von der Vespa zu halten. Denn dieser Körper war von der neuen eleganten Kord-Hülle umgeben. Die aber durfte weder mit dem schmierigen Vespa-Motor, noch mit den schmutzigen Schutzblechen in Kontakt kommen. Also schob er den Roller in stark gekrümmter Körperhaltung, bis er glaubte, für den Rest seines Lebens gelähmt oder verkrüppelt zu bleiben.
Der
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